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Mit der grossflächigen Projektion "Nein zur Gen-Kartoffel!" und einer Kartoffelfratze auf das Bundeskanzleramt in Berlin haben Greenpeace-Aktivisten gegen den Anbau der umstrittenen Gen-Kartoffel "Amflora" protestiert, März 2010.
Andreas Schoelzel/Greenpeace

Gen-Kartoffel Amflora: unerwünscht und überflüssig

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Die EU-Kommission hat die Gen-Kartoffel Amflora im März 2010 zugelassen – obwohl sie ein Antibiotikaresistenzgen in sich trägt. Zuvor hatten sich die EU-Landwirtschaftsminister:innen nicht einigen können: Die Mehrheit hatte zwar gegen eine Zulassung gestimmt, eine erforderliche qualifizierte Mehrheit kam jedoch nicht zustande – deshalb entschied die EU-Kommission. Die Amflora ist die erste genmanipulierte Pflanze, die seit 1998 in der EU zugelassen wird. Greenpeace-Aktive protestieren gegen diese Entscheidung. Am Ende kann sich die Gen-Knolle nicht durchsetzen. Eine Chronologie der Kampagne.

Warum die Gen-Kartoffel Amflora nicht angebaut werden sollte

Der deutsche Konzern BASF entwickelte die besonders stärkehaltige Kartoffel, um daraus Stärke für die industrielle Produktion zur Beschichtung von Papier oder Bindfäden herzustellen. Die Amflora enthält das antibiotikaresistene Markergen npt II. Markergene sollen im Labor dafür sorgen, jene Pflanzenzellen zu finden, die das neue Gen aufgenommen haben. Die Nutzung von antibiotikaresistenten Markergenen gilt als veraltet, da sie dazu führen kann, dass Krankheitserreger gegen bestimmte Antibiotika immun werden.

2004 erklärte die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA), keine Gen-Pflanzen mehr zuzulassen, wenn sie Markergene enthalten, die Antibiotika mit einer hohen therapeutischen Relevanz betreffen. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) erklärten, dass die von npt II betroffenen Gruppen der Antibiotika Kanamycin and Neomycin wichtig für die Human- und Veterinärmedizin seien. Und dennoch unterstützt die EFSA die Zulassung.

„Es ist schwierig zu verstehen, warum ein gentechnisch veränderter Organismus im Jahr 2008 zugelassen werden sollte, wenn er ein antibiotikaresistentes Markergen enthält, dessen Verwendung bereits im Jahr 2004 hätte auslaufen müssen“, bringt der britische Rechtsexperte Paul Lasok die rechtliche Ungereimtheit auf den Punkt. Zudem fehlt eine umfassende Risikoabschätzung: Die Auswirkungen auf Artenvielfalt, Umwelt und Gesundheit sind nicht ausreichend untersucht. Außerdem gibt es mittlerweile Kartoffeln mit ähnlichen Eigenschaften ohne Gentechnik.

0,9 Prozent Gen-Kartoffel im Kochtopf

Eigentlich ist die Kartoffel nur für die industrielle Stärkeproduktion vorgesehen, dennoch beinhaltet der Antrag ebenfalls eine Zulassung als Futtermittel. Zudem soll eine Verunreinigung von Lebensmitteln bis zu 0,9 Prozent legal sein. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind bisher kaum erforscht.

„Werden Gen-Kartoffeln angebaut, gelangen sie auch in unsere Nahrungskette“, sagt Ulrike Brendel, Gentechnikexpertin von Greenpeace. „Ob bei Ernte, Transport, Lagerung oder Verarbeitung: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer wieder zu Vermischungen kommt.“ Es sei daher Augenwischerei zu glauben, man könne eine Lebensmittelpflanze nur für die industrielle Nutzung anbauen.

Wie wenig BASF seine Gen-Kartoffel im Griff hat, ist im Herbst 2007 deutlich geworden. Auf den Versuchsfeldern sowie auf öffentlichen Wegen lagen weit nach der Ernte genmanipulierte Kartoffeln herum - für alle zugänglich und ohne ersichtlichen Warnhinweis.

Eine Chronologie:

Action against Genetic Engineering in Berlin

Grüne Woche in Berlin: Aktivist:innen schütten Ilse Aigner Kartoffeln vor die Füße

14. Januar 2010

Greenpeace-Aktive protestieren auf der Messe "Grüne Woche“ gegen den möglichen Anbau der Gentechnik-Kartoffel Amflora. Direkt neben Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) entrollten sie ihr Banner mit der Forderung nach einem Verbot. Die Aktivist:innen schütteten zudem einen Korb Gen-Kartoffeln vor Aigner aus.

Die EU-Kommission entscheidet bald über die Zulassung der Amflora für den kommerziellen Anbau. Ilse Aigner hat bereits angekündigt, nichts gegen diese Zulassung zu unternehmen. Die Unterstützung für den Anbau in Deutschland wurde auf Drängen der FDP in den Koalitionsvertrag mit der Union aufgenommen. Ein Großteil der Deutschen ist jedoch gegen den Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffel. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag von Greenpeace. 77 Prozent lehnen demnach den Anbau ab, lediglich 17 Prozent sprachen sich für einen Anbau aus.

Die Gen-Kartoffel gilt als überholt. Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft haben ohne Genmanipulation eine Sorte mit ähnlich hohem Stärkegehalt entwickelt, die bereits angebaut wird.

Protest against Genetic Engineering in Germany

Post für die Bundesregierung

30.Januar 2010 

Gegen den möglichen Anbau der Gentechnik-Kartoffel Amflora und von Gen-Mais protestieren bundesweit Greenpeace-Aktive in 45 Städten. Zudem sammeln sie Unterschriften auf Protestpostkarten. Diese richten sich an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und an den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der sich gegen den Anbau in Bayern ausgesprochen hat.

Projektion an das Kanzleramt: Kartoffelfratze und "Nein zur Gen-Kartoffel"

Projektion ans Bundeskanzleramt

03.März 2010

Mit der großflächigen Projektion einer Gen-Kartoffelfratze auf das Bundeskanzleramt in Berlin haben Greenpeace-Aktive in den frühen Morgenstunden gegen den Anbau der umstrittenen Gen-Kartoffel Amflora protestiert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat erklärt, die gestrige Zulassung der Gen-Kartoffel durch die EU-Kommission hinzunehmen. 

Die Kartoffel soll in diesem Jahr in Deutschland auf einer kleinen Fläche in Mecklenburg-Vorpommern wachsen, um das Pflanzgut zu vermehren. Sie ist die erste Gen-Pflanze, die seit 1998 zugelassen wurde. Mehr erfahren

15. März 2010

Interview mit Kartoffelbauer Karsten Ellenberg: Linda statt Amflora

26. März 2010

Greenpeace belegt mit einer neuen Rechtsexpertise, dass Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau der umstrittenen Gen-Kartoffel in Deutschland vorläufig untersagen muss. Der Grund: Die neue EU-Kommission hat mit der Zulassung der Gen-Kartoffel "Amflora" des BASF-Konzerns Anfang März gegen die Freisetzungsrichtlinie und damit gegen europäisches Recht verstoßen. Sie hätte keine Gen-Pflanze mit einem gesundheitsgefährdenden Antibiotika-Resistenz-Gen genehmigen dürfen. Mehr erfahren  

Action at GE Potato Depot in Germany

Protest am größten europäischen Lager für Gen-Kartoffeln in Buetow/Mecklenburg-Vorpommern

12. April 2010

Greenpeace-Aktive haben das Lagerhaus für die Gen-Kartoffel Amflora in Bütow/Mecklenburg-Vorpommern verriegelt. "EU-Genkartoffel-Depot geschlossen", lautet die Banner-Botschaft am Halleneingang, an den sich Aktivisten gekettet haben. Auf dem Gelände des Kartoffelzüchters Gut Bütow lagern 360 Tonnen der Gen-Kartoffel Amflora für den Anbau in der EU. Vorbereitet wird dort auch die Anpflanzung der Gen-Kartoffel in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr erfahren 

Aktivist:in verteilt Kartoffeln auf einem Acker aus einem Beutel mit der Aufschrift "Kartoffeln ohne Gentechnik".

20 Greenpeace-Aktive verteilen gentechnikfreie Kartoffeln in Bütow

14.04.2010 

Auf dem Acker für die Gen-Kartoffel Amflora in Bütow/Mecklenburg-Vorpommern haben 20 Greenpeace-Aktivisten heute gentechnikfreie Kartoffeln angepflanzt. Die Kartoffelsorten Henriette und Eliane sind für die Produktion von Papier und Baustoffen aus Kartoffelstärke genauso geeignet wie die umstrittene Gen-Kartoffel. Sie bergen jedoch keine Risiken für Umwelt und menschliche Gesundheit. Rund 10.000 gentechnikfreie Stärkekartoffeln wollen die Aktivisten ausbringen. Sie fordern Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) auf, den Anbau und die Verbreitung von Amflora wegen Gesundheits- und Umweltrisiken zu verbieten. Mehr erfahren

19. April 2010

Obwohl die Mehrheit der Deutschen genveränderte Pflanzen wie die Kartoffel Amflora nicht will, wurde Montagmorgen unter Polizeischutz mit ihrer Anpflanzung begonnen. 15 Hektar eines Ackers bei Bütow (Mecklenburg-Vorpommern) sollen bis zum Abend mit Gen-Kartoffeln bepflanzt werden.

Auch das Schweriner Agrarministerium fordert ein Verbot der umstrittenen Kartoffel. Landwirtschafts- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) lehnt Amflora ab und möchte auf der Konferenz der Länder-Agrarminister ab 29. April in Plön (Schleswig-Holstein), klare Anbauregeln einfordern. Im Gentechnik-Gesetz gibt es derzeit keine Regelung für Feldabstände oder Haftungsbestimmungen für Gen-Kartoffeln. Ohne solche Regelungen kann eine Vermischung zwischen Amflora und konventionellen Kartoffeln nicht kontrolliert werden.

29. April 2010

Österreich hat die Gen-Kartoffel von BASF gestern verboten, weil die Kartoffel ein Antibiotikaresistenzgen in sich trägt. Dieses Gen könnte lebensnotwendige Antibiotika wie Kanamycin und Neomycin unwirksam machen. Zudem hat Ungarns Regierung gestern beschlossen, die Europäische Kommission zu verklagen, da die Anbauzulassung für die Gen-Kartoffel rechtswidrig ist.

Sogar der Verband der Kritischen Aktionäre von BASF schätzt Amflora als gefährlich ein. Die Kritischen Aktionäre haben für die heutige BASF-Jahreshauptversammlung eine Risiko-Rückstellung von 500 Millionen Euro beantragt. Der Dachverband gibt zur Begründung an, dass BASF mit dem Anbau der Amflora wegen ihrer Antibiotikaresistenzgene enorme Risiken eingehe.

7. September 2010

Von Anfang an war ihr Anbau umstritten - nun muss die Gen-Kartoffel Amflora in Quarantäne. Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) hat verboten, die bei Zepkow im Müritzkreis angebauten Kartoffeln in den Verkehr zu bringen. Auf einem Gen-Kartoffel-Acker des Agrarkonzerns BASF in Nordschweden waren zuvor nicht zugelassene genmanipulierte Kartoffeln gefunden worden. Mehr erfahren

2. Januar 2011

Wird sie angebaut, wird sie nicht angebaut? Nach einigem Hin und Her steht fest: Ja, der deutsche Chemieriese BASF hat einen Acker für seine Gen-Kartoffel Amflora gefunden. Allerdings nur zwei Hektar in Ausleben, Sachsen-Anhalt. Sie gehören dem gentechnikfreundlichen Lobbyverein Innoplanta. Der Verein betreibt in Ausleben auch einen Schaugarten zum Thema Agro-Gentechnik.

"Offensichtlich konnte die BASF in diesem Jahr in Deutschland keine Landwirte für den Anbau ihrer riskanten Gen-Knolle gewinnen", sagt Stephanie Töwe, Gentechnikexpertin von Greenpeace. 2010 hatte die umstrittene Gen-Kartoffel in der EU überraschend eine Zulassung für den kommerziellen Anbau erhalten. Eine rechtswidrige Entscheidung, gegen die mehrere Mitgliedsstaaten Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingereicht haben. In Deutschland wurde die Kartoffel 2010 auf 15 Hektar in Bütow/Mecklenburg-Vorpommern angepflanzt. Zahlreiche Proteste begleiteten den Anbau. Erfolgreich: Vor einigen Wochen kündigte der Bütower Landwirt an, die Amflora dieses Jahr nicht mehr anbauen zu wollen.

1. März 2011

Auch die letzten Überbleibsel der im letzten Jahr auf 15 Hektar angebauten Gen-Kartoffel Amflora sind vernichtet worden. Man habe sich für anderes Saatgut entschieden, hieß es aus dem Hause BASF, Entwickler und Vermehrer der Kartoffel. Berichte, das Saatgut sei übermäßig mit Viren und Pilzen belastet und somit für Anbau und Vermehrung ungeeignet gewesen, wollte die BASF Greenpeace gegenüber nicht bestätigen.

Vorgesehen waren die noch verbliebenen 120 Tonnen der in Mecklenburg-Vorpommern geernteten Gen-Knollen für die Verwendung als Saatgut. 18 Tonnen waren bereits kurz nach der Ernte 2010 aus dem Verkehr gezogen worden - aufgrund von befürchteten Verunreinigungen mit der nicht zugelassenen, ebenfalls gentechnisch veränderten Sorte Amadea.

"Zu Lieferengpässen von Amflora-Saatgut dürfte es trotz der Vernichtung der Kartoffeln nicht kommen", sagt Dirk Zimmermann, Gentechnikexperte von Greenpeace. "Ein Interesse der Landwirtschaft am Anbau der Amflora ist nicht zu verzeichnen, daher reduziert sich der Anbau 2011 auf gerade einmal zwei Hektar - zu Demonstrationszwecken durch die Industrie selbst." Laut BASF wolle man dabei Anbauerfahrung sammeln und weitere Überzeugungsarbeit leisten.

31. Januar 2013

Die BASF hat die Zulassungsprozesse für ihre gentechnisch veränderten Kartoffelsorten Fortuna, Amadea und Modena in Europa gestoppt. Das Engagement in Sachen Agro-Gentechnik in der EU ist für den Chemiekonzern damit endgültig beendet. Anfang 2012 war bereits die Entwicklungsarbeit für den europäischen Markt aufgegeben worden. Nun ist es der BASF offensichtlich zu aufwändig und kostspielig geworden die Zulassungen für die Gen-Kartoffeln wie ursprünglich beabsichtigt weiter zu betreiben. Mehr erfahren

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