Jetzt spenden
Am Castor-Verladebahnhof Dannenberg, November 2003
Andreas Schoelzel / Greenpeace

Atommüll auf gefährlichen Irrwegen

Seit Ende der 80er Jahre protestiert Greenpeace gegen die riskanten Transporte. Ein Atomtransport-Unfall kann katastrophale Folgen haben, insbesondere in Ballungsgebieten. Grundsätzlich gibt es für Transportunfälle keinen wirksamen Katastrophenschutz. Zugunsten der Interessen der AKW-Betreiber wird die Sicherheit von Bahnarbeitern, Polizei und Anwohnern der Transportstrecke leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Sichere Atomtransporte: ein Ding der Unmöglichkeit

Atomtransporte sind gefährlich wie eh und je. Denn Behälter mit hochradioaktivem Material stellen ein immenses Gefahrenrisiko dar. Mit einigen Typen wurden keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Sicherheitstests durchgeführt. Oder es wurden nicht die adäquaten Unfallszenarien simuliert, so dass sich diese Tests jeglicher Realität entziehen: Beispielsweise sieht der Feuertest vor, dass ein Atommüllbehälter 30 Minuten lang einer Temperatur von 800 Grad Celsius ausgesetzt wird. Bei Zugunfällen mit leicht entzündbaren Stoffen wie Benzin oder Propangas werden allerdings Temperaturen von bis zu 2000 Grad Celsius erreicht.

1998 fanden Behörden außen an einigen Atommüllbehältern radioaktive Partikel. Die Behälter hatten jahrelang den zulässigen Grenzwert um bis zum 3500fachen überschritten. Daraufhin verhängte die Umweltministerin Angela Merkel einen sofortigen Transportstopp und versprach, vor der vollständigen Ursachenklärung keine weiteren Transporte zu genehmigen.

Im Januar 2000 gab die Bundesregierung jedoch wieder grünes Licht für Atomtransporte. Und das weiterhin ohne die versprochene Klärung. Auch können die Betreiber der Atomkraftwerke weiterhin nicht garantieren, dass die Behälter zukünftig sauber sind.

Unfall-Chronik

Folgende Beispiele vergangener Unfälle beim Transport hochgiftiger Stoffe machen klar, wie wahrscheinlich und unübersehbar die Gefahren beim Transport gefährlicher Güter sind: ein Szenario unbeherrschbarer Katastrophen!

März 1994, Zürich: Wegen eines defekten Radlagers springt das Drehgestell eines Kesselwagens aus den Schienen. Mehrere mit Benzin beladene Waggons entgleisen und explodieren. Eine 80 Meter breite Feuerwalze erfasst Wohnhäuser und Fahrzeuge.

Juli 1996, Schönebeck: Ein Wagen entgleist und stößt gegen einen Oberleitungsmast. Funken aus der herabfallenden Oberleitung entzünden das transportierte Gas, der Wagen expoldiert, weitere Wagen gehen in Flammen auf.

Februar 1997, Frankfurt: Am Frankfurter Südbahnhof explodieren beim Zusammenstoß zweier Güterzüge zwei Kesselwaggons mit Benzin. Die Flammen brennen mehr als 50 Meter hoch.

Februar 1997, Apach: Während eines Castor-Transports entgleisen drei Spezialwaggons eines Zuges mit abgebrannten Brennelementen. Das Unglück verläuft glimpflich, weil der Zug nur 25 km/h fuhr.

Reise in die atomare Sackgasse

Keiner will ihn haben, den Atommüll. Hochradioaktive Abfälle strahlen für viele tausend Jahre. Auf der ganzen Welt hat man bisher kein sicheres Endlager gefunden, das für solche Abfälle geeignet wäre. Deshalb wird Atommüll verschoben: Er rollt aus Atomkraftwerken zu zentralen Zwischenlagern (Ahaus / Nordrhein-Westfalen und Gorleben / Niedersachsen) oder zu ausländischen Wiederaufbereitungsanlagen (La Hague / Frankreich und Sellafield / Großbritannien) die einzigen von den Aufsichtsbehörden bisher zugelassenen Entsorgungswege.

Sackgasse Zwischenlager

Hochradioaktiver Atommüll erzeugt noch über Jahre hinweg eine immense Wärmemenge. Um diese kontrolliert abzuführen, muss der strahlende Müll rund 40 Jahre zwischengelagert und dabei gekühlt werden. Ein sich an diese Zwischenlagerung anschließendes Endlager, geeignet dafür, hochradioaktive Abfälle sicher für Jahrmillionen von der Biosphäre abzuschirmen, gibt es jedoch auf der ganzen Welt noch nicht. Und selbst Experten wie der Umweltsachverständigenrat gehen nicht davon aus, dass ein für alle Zeiten sicheres Endlager gefunden werden kann. So führt der Weg zum Zwischenlager zwangsläufig in die Sackgasse.

Sackgasse Wiederaufbereitungslager

Auch der scheinbare Ausweg in die Wiederaufbereitungsanlage bietet keine Alternative. Denn Wiederaufbereitung verursacht zusätzlichen Atommüll, und das in vielfacher Menge. Zudem leiten Wiederaufarbeitungsanlagen derartig viele radioaktive Substanzen in Luft und Meere, dass ganze Landstriche um die Atomanlagen radioaktiv verseucht sind. 1998 stellte Greenpeace beispielsweise fest, dass die radioaktive Belastung der Umgebung um die Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield der Belastung der 30-Kilometer-Sperrzone um den Katastrophenreaktor von Tschernobyl entspricht. Auch der Weg in die Wiederaufbereitungsanlage führt also in die Sackgasse.

Fazit: Atomtransporte bieten keinerlei Lösung für das Atommüllproblem, im Gegenteil:

Sie erhöhen das Risiko für Menschen und Umwelt!

Neutronenstrahlung - die unterschätzte Gefahr

Die Ergebnisse des Marburger Nuklearmediziners Prof. Horst Kuni über Wirkung und Gefährlichkeit von Neutronenstrahlung erregten im Juli 1995 öffentliche Aufmerksamkeit. Gestützt auf Erkenntnisse aus Experimenten mit Tieren und Zellkulturen stellte Kuni fest, dass Neutronen rund 60 Mal gefährlicher sind, als bisher angenommen. Somit wurde möglicherweise bisher bei Atomtransporten die Belastung durch Neutronen erheblich unterschätzt. Dadurch könnten die erlaubten Grenzwerte teilweise überschritten worden sein.

Die hochaktiven Spaltprodukte von Atommüll senden aus ihren Behältern Neutronenstrahlen (bestehend aus elektrisch neutralen Teilchen) aus. Diese haben in der Luft eine Reichweite von einigen hundert Metern und wirken von außen auf den menschlichen Körper ein. Deswegen hat die Neutronen-Strahlung einen erheblichen Anteil an der Strahlenbelastung, die von den Atommüllbehältern ausgeht.

Greenpeace fordert:

  • Sofortiger Stopp aller Atomtransporte sowohl in die Zwischenlager als auch in die Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland.
  • Die Produktion von Atommüll muss beendet werden. Hierzu müssen die Atomkraftwerke umgehend abgeschaltet werden.
  • Die Wiederaufarbeitung von Atommüll muss weltweit sofort verboten werden.

 

  • Drei entgleiste mit Atommüll beladene Waggons bei Apach, Februar 1997

    Entgleiste Waggons

    Überspringe die Bildergalerie
  • Protest mit Fackeln gegen Castor-Transport aus La Hague, November 2003

    Am Bahnhof Valgones

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Jetzt mitmachen

Du willst Teil der Energiewende sein?

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Dann besuche in unserer Mitmach-Community Greenwire die Energiewende-Themengruppe und tausche dich mit Anderen aus, finde weitere Mitmachangebote und erfahre mehr über unsere Kampagnen.

Hier lang zur Themengruppe-Energiewende

Themengruppe auf

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Mehr zum Thema

Greenpeace and BUND Naturschutz Celebrate Nuclear Phase-out in Munich
  • 12.04.2024

Vor einem Jahr ging das letzte AKW in Bayern vom Netz. Strom aus erneuerbaren Energien hat deutschlandweit Atomstrom ersetzt. Nur der Freistaat hinkt hinterher. Warum ist das so?

mehr erfahren
Projektion für den Atomausstieg am Atomkraftwerk Isar 2 bei Nacht
  • 09.04.2024

Happy Birthday, Atomausstieg! Auch wenn ein Jahr nach dem deutschen Ausstieg vielerorts eine “Renaissance der Atomkraft” herbeigeredet wird, laut einer aktuellen Studie sprechen die Fakten dagegen.

mehr erfahren
Karte der Region Fukushima in Japan, die die Ausbreitung der Strahlung nach der Atomkatastrophe im März 2011 im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi zeigt.
  • 11.03.2024

Der 11. März 2011 versetzte Japan in einen Ausnahmezustand, der bis heute anhält. Die dreifache Katastrophe von Erdbeben, Tsunami-Flutwelle und Super-GAU traf das Land bis ins Mark.

mehr erfahren
Projektion zum Atomausstieg am AKW Isar 2
  • 05.03.2024

Atomkraft ist nicht nur riskant, sondern auch keine Lösung für die Energiekrise. Am 15. April 2023 wurden die deutschen Atomkraftwerke darum abgeschaltet, endgültig.

mehr erfahren
Balloons on the 'Plein' at The Hague
  • 12.12.2023

Ein technologischer Meilenstein, aber kein Modell für die Zukunft: Warum der gelungene Versuch der Kernfusion nicht die Probleme der Gegenwart löst.

mehr erfahren
Dunkle Wolken über Fukushima
  • 24.08.2023

Mit bewussten Fehleinschätzungen wird der Plan gerechtfertigt, mehr als eine Million Tonnen radioaktives Wasser aus Fukushima ins Meer abzulassen. Greenpeace entkräftet diese Halbwahrheiten.

mehr erfahren