Jetzt spenden
"Der Spiegel"  & "Das Plagiat", Juni 1992
Bernhard Nimtsch / Greenpeace

Greenpeace-Plagiat des Spiegel: Meilenstein der Kampagne für chlorfreies Papier

Greenpeace liefert 1991 den Beweis, dass man auf Tiefdruckpapier ohne Chlorbleiche drucken kann. Große Verlage ziehen nach, chlorfreies Papier wird zum Standard.

Freitag, 1.März 1991: Spiegel-Mitarbeiter reiben sich verwundert die Augen. Vor ihrem Verlagshaus wird Der Spiegel verteilt mit der Titelgeschichte „Umweltkiller Druckpapier“. Was sie in den Händen halten, ist ein Plagiat von Greenpeace – eine exakte Kopie des Spiegel und die weltweit erste Zeitschrift auf chlorfrei gebleichtem Tiefdruckpapier.  

Die Aktivisten vor dem Spiegel-Gebäude haben auch ein Geschenk mitgebracht: Ein Kranwagen lädt eine 1,8 Tonnen schwere Papierrolle ab. Von nun an soll der Spiegel chlorfrei drucken. 

Chlorfreies Papier wird zum Standard

 Das Plagiat krempelt den Zeitschriftenmarkt um, denn die Verlage hatten immer bestritten, dass es reißfestes Tiefdruckpapier ohne chlorgebleichten Zellstoff geben könne. Sie hatten lediglich eingeräumt, dass dies bei einem Zellstoff geringerer Festigkeit möglich sei; dieser wird aber nur in einem kleinen Segment des Marktes verwendet. 

Nun gibt es keine Ausreden mehr. Greenpeace hat den Beweis erbracht, dass auch Kraft-Zellstoff ohne Chlorbleiche auskommt. Das Ausmaß ist beachtlich: Weltweit werden jedes Jahr 80 Millionen Tonnen gebleichten Zellstoffs pro Jahr benötigt. 

In kurzer Zeit ziehen große Verlage nach: Schon im November 1991 ahmt Der Spiegel das Plagiat von Greenpeace nach und erscheint erstmals auf chlorfrei gebleichtem Papier. Der Stern und das österreichische Magazin Profil schaffen 1992 den Umstieg. Weitere große Verlage folgen, der Durchbruch gelingt: Chlorfreies Papier wird bald zum Standard.

 Greenpeace-Magazin als Vorreiter 

So ein Erfolg kommt nicht von heute auf morgen. Schon ab Mitte der 80er Jahre machte Greenpeace auf die Gefahren der Chlorbleiche bei der Papierproduktion aufmerksam. Der Zellstoff reagiert mit dem Chlor zu giftigen und langlebigen organischen Chlorverbindungen. Diese reichern sich in der Nahrungskette an, belasten die Umwelt und schädigen Menschen, Tiere und Pflanzen. 

1989 erschien das Greenpeace-Magazin erstmals auf chlorfreiem Papier und war Vorreiter dieser Entwicklung. Auch hatte Greenpeace zeigen können, dass Kraftzellstoff im Labor bereits mit Erfolg chlorfrei gebleicht werden konnte – nur nicht so blütenweiß, wie man es gewohnt war. 

Protestaktionen bei großen Papier- und Zellstoffherstellern übten weiter Druck auf die Branche aus. Greenpeace informierte über die Verseuchung der Gewässer mit langlebigen Chlorverbindungen und die Folgen: Deformationen und andere Krankheiten bei Fischen. 

Zwei schwedischen Kraftzellstoffproduzenten gab das zu denken: Der kleinere Hersteller Aspa produzierte 1990 den weltweit ersten chlorfrei gebleichten Kraftzellstoff. Södra, einer der größten Anbieter auf dem Weltmarkt, folgte nach. 

Papier in gleich guter Qualität 

Greenpeace suchte die großen deutschen Zeitschriftenverlage auf, um mit ihnen die Möglichkeit auszuloten, jetzt auch das Tiefdruckpapier für den Massendruck aus chlorfreiem Zellstoff herzustellen.

Die Reaktion der Verlage war jedoch ernüchternd. Daraufhin beschloss Greenpeace, selbst ein solches Papier produzieren zu lassen und darauf ein Plagiat des Nachrichten-Magazins Der Spiegel zu drucken.

Die Duisburger Fabrik von Haindl fertigte das Papier. Der Clou: Von dort bezog auch der echte Spiegel einen Teil seines Tiefdruckpapiers. Die Qualität war zufriedenstellend: Das Papier war nur unmerklich weniger weiß als das Original, die Bedruckbarkeit und Festigkeit so gut wie beim Original.

Innerhalb kurzer Zeit wird das Papier national und international bei Papier- und Zellstoffindustrie, Grafikern, Verlagen, Druckereien und Werbeagenturen bekannt und gewinnt in allen Bereichen große Marktanteile. Ein großer Erfolg für die Kampagne gegen die Chlorbleiche. 

Datum
Müllhalde mit Kühen in Ghana

Mehr zum Thema

Aktivist:innen vorm Bundeskanzleramt
  • 15.03.2024

Das europäische Lieferkettengesetz wurde beschlossen, auch trotz der Enthaltung Deutschlands. Die EU hat damit gezeigt: Menschenrechte und Klimaschutz sind wichtiger als Profite von Unternehmen.

mehr erfahren
Aktive sitzen auf einem einem 3,5 Meter hohen und 12 Meter breiten Textilmüll-Berg  vor dem Brandenburger Tor, auf dem Banner steht "Fast Fashion: Kleider machen Müll".
  • 05.02.2024

Aussortierte Kleidung landet in großem Stil in Afrika – und wird dort zum Plastikmüllproblem. Eine Greenpeace-Recherche zeigt das Ausmaß, Aktive protestieren gegen Fast Fashion auf der Fashion Week.

mehr erfahren
Protest am Amazon-Logistikzentrum Winsen bei Hamburg
  • 11.12.2023

Fabrikneue Ware oder Retouren einfach zerstören? Exzess der Überproduktion und wahnsinnige Ressourcenvergeudung. Wir konnten ein Vernichtungsverbot für unverkaufte Kleidung erreichen.

mehr erfahren
Zwei Jugendliche halten ein Pappschild "Say no to plastic, save the ocean" .
  • 16.11.2023

Eine historische Chance: Die UN-Verhandlungen über ein verbindliches globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung gehen weiter.

mehr erfahren
Greenpeace Aktive halten beim Make Something Day in Berlin Hände mit "Ressourcenschutz fürs Klima" hoch
  • 13.11.2023

Während der Handel in der Vorweihnachtszeit mit Rabattschlachten zum Massenkonsum ruft, treffen sich vom 19. bis 27. 11. Menschen, die auf Reparieren, Selbermachen, Tauschen setzen statt auf Kaufen.

mehr erfahren
Frau mit Kleid vor Spiegel bei Kleidertauschbörse
  • 30.08.2023

Wir ertrinken in Konsumprodukten, die wir nicht brauchen – weniger wäre oft mehr. Hier sind zehn Tipps, wie man im immer schnelleren Verwertungskreislauf auf die Bremse tritt.

mehr erfahren