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Online-Redaktion: Gabriela, Stichworte: CO2-Abscheidung, CO2-Speicherung, CO2-Verpressung. Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Gabriela von Goerne: Es geht dabei um drei Bausteine eines Verfahrens. Der erste ist die Abscheidung, der zweite die Verflüssigung und der dritte die Verpressung. Normalerweise ist CO2 ein Gas. Wenn du Kohle, Öl, Gas, aber auch Biomasse verbrennst, verbrauchst du Sauerstoff und produzierst CO2. Das CO2 geht mit dem Abgasstrom durch den Schornstein in die Atmosphäre und reichert sich dort an. So kommt es zum Treibhauseffekt. Es wird immer wärmer.

Was jetzt gemacht werden soll, lässt sich am einfachsten am Beispiel der Entschwefelungsanlagen erklären: Du hast ein Kraftwerk und schaltest zwischen den Schornstein und die Stelle, wo das CO2 aus dem Ofen kommt, sozusagen eine Waschmaschine - die sogenannte Rauchgaswäsche. Das sind flüssige Chemikalien, die das CO2 binden und rauswaschen. Diese Technik könnte man auch an schon vorhandene Kraftwerke nachschalten, oder an solche, die heute gebaut werden.

Könnte, sage ich. Denn eine solche Anlage hat nicht die Größe einer Waschmaschine, sondern die eines Fußballfelds. Man müsste alles umbauen. Das ist nicht billig. Die Industrie sagt zwar immer, das können wir. Aber es wäre wahrscheinlich preiswerter, gleich ein neues Kraftwerk zu bauen und das alte stillzulegen.

Es werden noch andere Kraftwerkstechnologien zur Abscheidung erprobt, zum Beispiel das Oxyfuelkraftwerk, das Vattenfall am Standort Schwarze Pumpe baut. Das ist eine neue Technik. Das CO2 wird erst ein paarmal durchgefiltert und dann hast du als Ergebnis hochkonzentriertes CO2 im Abgas. Der Abgasstrom besteht zu 80 Prozent aus CO2. Bei den normalen Kraftwerken, wie wir sie derzeit haben, sind nur 14 Prozent enthalten. Das ist teurer, denn je geringer die Konzentration, desto aufwendiger ist es, das CO2 rauszuwaschen.

Online-Redaktion: Was passiert mit dem abgeschiedenen CO2?

Gabriela von Goerne: Das ist der zweite Schritt - die Verflüssigung. Wenn man das CO2 rausgewaschen oder aus dem Abgasstrom abgefangen hat, ist es noch ein Gas. Gas hat ein sehr großes Volumen. Um das unterirdisch zu lagern, sind riesige Untergrundräume nötig. Darum komprimiert man das Gas. Dadurch verflüssigt es sich und dann kann man es durch Pipelines pumpen und in den geologischen Untergrund bringen.

Genauer gesagt ist das ein sogenannter überkritischer Zustand - nicht flüssig, nicht gasförmig. Es lässt sich physikalisch gar nicht beschreiben. Es ist wie eine Flüssigkeit, hat aber eine geringere Dichte. So kann auf kleinstem Raum möglichst viel untergebracht werden.

Abscheidung und Verflüssigung erfolgen im Kraftwerk. Danach wird das CO2 abtransportiert, im Idealfall durch eine Pipeline und nicht mit einem LKW. Die Verpressung erfolgt dort, wo man einen geologischen Speicher vorfindet. Das heißt, das verflüssigte CO2 wird in den Untergrund verpresst und dort gespeichert.

Online-Redaktion: Das kostet doch sicherlich Hunderte Millionen Euro. Warum stecken die Unternehmen diese Summen nicht gleich in die Vermeidung von CO2? Das Geld müssen sie doch so oder so ausgeben.

Gabriela von Goerne: Ja, da kommt die Konzernpolitik ins Spiel. Du hast ein alteingesessenes Unternehmen, das seit Jahr und Tag die Kohle verbrennt. RWE und Vattenfall gehören riesige Braunkohlelagerstätten, sie kommen sehr billig an den Rohstoff heran. Da ist es naheliegend, weiterzumachen wie bisher. Sie haben das alte Know-how und wollen möglichst lange davon profitieren. Die Braunkohlevorräte in Deutschland sind gigantisch. Und Vattenfall will noch neue Braunkohletagebaue aufmachen. Die denken gar nicht daran aufzuhören.

Online-Redaktion: Was den zusätzlichen Effekt der Umsiedlung ganzer Ortschaften und der Landschaftszerstörung hervorbringt ...

Gabriela von Goerne: Allerdings, und Grundwasserprobleme und alles was dazugehört. Die CO2-Verpressung dient als Rechtfertigung dafür, einfach weiterzumachen, also Kohle abzubauen und zu verheizen. Das Dumme an der Sache ist, dass zwar alle von der neuen Technik reden, aber 24 neue Kohlekraftwerke in Planung sind, die weiter nach alter Art das Klima zerstören werden.

Die einzelnen Bausteine für die neue Technik gibt es zwar schon lange, siehe die Entschwefelungsanlagen. Nur - wir reden hier über 1000-Megawatt-Blöcke und mehr. In solchen Dimensionen ist das noch nie gemacht worden. Schau dir Braunkohlekraftwerke in Deutschland an, die haben einen Ausstoß nicht von einer Million Tonnen CO2 im Jahr, sondern von 15 oder 30 Millionen. Aus einem einzigen Kraftwerk - das ist Wahnsinn.

Online-Redaktion: Das heißt, es ist eigentlich eine unerprobte Technologie?

Gabriela von Goerne: Was den gesamten Ablauf angeht, ja. Die Speicher- beziehungsweise Verpressungstechnologie wird in der Erdölindustrie schon seit rund 50 Jahren angewendet. Hintergrund ist: Du kannst Öl nur bis zu einem gewissen Grad fördern. Eine Öllagerstätte steht unter Druck, du piekst sie an und das Öl schießt hoch - wie man das manchmal in Filmen sieht. Das Öl schießt aber nur hoch, solange Überdruck herrscht. Wenn der Druck nicht mehr groß genug ist, kommt kein Öl mehr. Dann verwendest du einen Trick: Du pumpst in eine andere Bohrung Wasser oder CO2 rein, erhöhst dadurch den Druck und schon sprudelt das Öl wieder.

Online-Redaktion: Hat es Folgen für die Umwelt, wenn CO2 im Untergrund gelagert wird?

Gabriela von Goerne: Ökosysteme werden in dieser Tiefe, das sind im Schnitt 800 bis 1000 Meter, zwar nicht geschädigt. Da gibt es nur noch Stein, keine Tiere, keine Pflanzen. Der Landschaft wird es auch nicht schaden. Das ist ein kleiner Bohrturm. Der kann irgendwo auf der Wiese stehen, wo er niemanden stört. Aber irgendwann wird die Bohrung verfüllt und dann kommt ein Deckel drauf. Ein solcher Deckel kann undicht werden. Dann gibt es natürlich Probleme. Steigt CO2 nach oben, geht es vom flüssigen wieder in einen gasförmigen Zustand über und breitet sich aus. Da es schwerer ist als Luft, könnte es sich in landschaftlichen Senken oder Kellern ansammeln. Menschen und Tiere würden ersticken.

Wissenschaft und Ölindustrie sagen gern: Wir haben doch genügend natürliche Beispiele. Es gibt Öl, Gas und auch CO2, das seit Millionen Jahren im geologischen Untergrund liegt und nie herausgekommen ist. Das ist richtig, aber diese Lagerstätten waren Jahrmillionen ungestört. Wir dagegen müssen das Zeug erst einmal hinunterbringen. Dafür müssen wir bohren und nicht nur einmal sondern viele Male. Insofern ist der geologische Untergrund nicht mehr ungestört.

Außerdem ist der Untergrund nicht hohl. Dort wo das CO2 hinkommt, ist salzhaltiges Wasser - sehr heiß, sehr salzhaltig. Das kann man nicht trinken, es ist unbekömmlich, wenn man Pech hat sogar giftig. Das wird natürlich verdrängt, wenn du CO2 reinpumpst, und sucht sich andere Wege. Niemand kann vorhersagen, welchen Weg es nimmt, ob es zum Beispiel entlang von Klüften aufsteigt und Trinkwasserreservoire verseucht.

Online-Redaktion: Die Norweger praktizieren die CO2-Speicherung schon.

Gabriela von Goerne: Das ist das Sleipner-Projekt. Seit zehn Jahren pumpen sie eine Million Tonnen CO2 pro Jahr in einen sogenannten salinaren Aquifer unter der Nordsee. Wenn ich Statoil wäre, das ist der Ölmulti, der das praktiziert, würde ich auch sagen: Gar kein Problem. Selbst wenn Salzwasser verdrängt wird und anderswo wieder aufsteigt - Meerwasser ist ja ohnehin Salzwasser. Da haben sie nicht ganz Unrecht, aber das Wasser, das da unten herauskommt, ist natürlich sehr viel salzhaltiger. Und wenn das CO2 austritt, bildet es am Meeresboden eine Glocke. Schnecken, Würmchen, alles was da unten lebt und auf dem Meeresboden herumkriecht, würde ersticken.

Online-Redaktion: Könnte das Verfahren trotzdem irgendwann eine Alternative für den Klimaschutz darstellen?

Gabriela von Goerne: Das glaube ich nicht. Es wird ein paar Projekte geben, aber die müssen subventioniert werden. Da muss unglaublich viel Geld reingepumpt werden. Ob das jemand auf Dauer mitmachen will? Auch die Folgekosten muss die Gesellschaft übernehmen, also wir - die Überwachung der Speicher zum Beispiel. Das sollte man sich gut überlegen.

Vor allem die Politik muss sich das überlegen. Wir haben schon die Atommüll-Endlager, die irgendwann auf uns übergehen und überwacht werden müssen. Dann haben wir die Folgekosten aus dem Braunkohlebergbau, die sogenannten Ewigkeitskosten aus dem Steinkohlebergbau, die die RAG, die frühere Ruhrkohle-AG, ganz raffiniert auf die Gesellschaft umgewälzt hat. Wenn jetzt noch die CO2-Speicher dazukommen, sind das ungeheure Posten. Das Geld wäre in den Erneuerbaren Energien wesentlich besser angelegt.

Klar gibt es Leute, die an die Adresse von uns Umweltorganisationen sagen: Freut euch doch, wenn die Technologie kommt. Dann wird die Kohle endlich so teuer, wie ihr sie immer haben wolltet. Weil dann der CO2- und der Klimapreis eingerechnet ist. Stimmt auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite wird die Industrie kommen und sagen: Wir brauchen Anschubfinanzierung. Wir fordern Gelder genauso wie es die Erneuerbaren Energien zum Beispiel im EEG bekommen. Das wäre dann wirklich absurd hoch drei: Auf der einen Seite subventionieren wir die Förderung der Kohle und damit die Klimazerstörung. Und dann subventionieren wir den Dreck, den das verursacht und müssen's wieder saubermachen. Also, das kann man sich wirklich schenken.

Was ich so fatal finde: Alle sagen, naja bis 2020 sind wir mit der Technik so weit. Nur - in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern ist bis dahin die Erneuerung des Kohlekraftwerksparks abgeschlossen. Das heißt, dann müssen die neuen Kraftwerke nachgerüstet werden. Das werden die Unternehmen nicht machen, das ist zu teuer. Und dann wird sicherlich über Übergangsfristen diskutiert und gefeilscht, damit die Nachrüstung sich möglichst weit in die Zukunft verschiebt. So können wir unsere Klimaschutzziele garantiert niemals erreichen. Statt auf Kohlekraftwerke und CCS (CO2-Abscheidung und -lagerung) müssen wir auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzen. Alles andere wäre ein zu großes Risiko für das Klima.

Online-Redaktion: Vielen Dank, Gabriela!

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