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Feuerwehr löscht Brand im AKW Krümmel, Juni 2007
Martin Langer / Greenpeace

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

28.6.2007: Im AKW Krümmel kommt es zu einem Kurzschluß im Maschinentransformator AT01, der zu einem Großbrand in der Anlage führt. Die automatische Sprühlösch-Anlage ist bereits nach sechs Minuten leer und die Werksfeuerwehr ist erst nach elf Minuten am Einsatzort. Es verstreichen weitere 24 Minuten bis die Drehleiter angelegt werden kann.

Die Lage wird dadurch erschwert, dass der Staffelführer der Werksfeuerwehr gleichzeitig Schichtleitervertreter ist. Er muss an zwei Orten gleichzeitig agieren, da Vattenfall Personalkosten sparen will. Die Situation wird immer unübersichtlicher.

Chaos, Fehlkonstruktion und Fehlplanung

Die nächste Panne tritt ein: Die Lüftungsanlage der Reaktorwarte registriert Rauch und will Frischluft von außen hereinpumpen. Das führt dazu, dass die Rauchgase vom Trafobrand in die Reaktorwarte geschleust werden. Der Reaktorfahrer muss nun mit Gasmaske arbeiten. In der Folge kommt es zu Kommunikationsfehlern und gefährlichen Fehlbedienungen.

Als nächstes fällt wegen eines Fehlers in der Schaltung der Stromversorgung kurzzeitig die gesammte Eigenbedarfsversorgung des Reaktors aus. Die wichtigen Speisewasserpumpen werden abgeschaltet und es kommt zur Reaktorschnellabschaltung. Doch damit nicht genug. Wegen eines Fehlers in der Steuerung der Pumpen schalten sie sich nicht mehr automatisch ein.

Ein weiterer - diesmal konzeptioneller - Fehler hat zur Folge, dass die Pumpen auch nicht per Hand eingeschaltet werden können. Der Wasserstand im Reaktordruckgefäß sinkt. Die Situation wird immer gefährlicher. Ein Bedienfehler des Reaktorfahrers spitzt die Situation weiter zu. Zudem gibt es nur ein Betriebshandbuch in der Warte, obwohl mehrere Exemplare notwendig wären.

Schließlich fällt wegen eines Auslegungsfehlers auch noch die Prozeßrechenanlage aus. An die 30 Personen drängen daraufhin in die Reaktorwarte, obwohl sie dort keine Funktion haben und nur stören. Es muss eine Menge Glück im Spiel gewesen sein, dass die Situation nicht weiter eskalierte und ein gutes Ende nahm.

Nach dem Unfall ist vor dem Unfall

Nach dem Unfall fordert die Atomaufsicht, dass vom täglichen Betrieb in der Reaktorwarte Audioaufzeichnungen gemacht werden. Das ist beispielsweise in der Seeschiffahrt oder im Cockpit eines Verkehrsflugzeuges selbstverständlich. Doch Vattenvall weigert sich und legt ein 166 Seiten starkes Rechtsgutachten vor, dass eine Audioüberwachung abwehren soll.

Zudem will Vattenfall den Reaktor schnell wieder in Betrieb nehmen und nennt immer wieder neue Einschalttermine. Doch es tauchen immer weitere gravierende Mängel auf. So werden zahlreiche Risse in Rohrleitungen und Armaturen entdeckt und festgestellt, dass falsche Dübel montiert worden sind. Der Betreiber kennt offenbar seine eigene Anlage nicht.

{image_r}Für den Kurzschluss im Jahr 2007 wurde die Ursache nie gefunden. Dennoch ging der Reaktor mit Genehmigung der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht am 19. Juni 2009 wieder ans Netz. Wenige Tage später fiel zuerst eine elektronische Baugruppe aus. Dann kam es zu einer Reaktorschnellabschaltung angeblich durch einen von Hand falsch gestellten Ventilhebel. Aber anstatt den Pannenreaktor abzuschalten und die Ursachen zu klären, fuhr Vattenfall den Reaktor mit halber Leistung weiter.

Am 4. Juli 2009 sollte der Reaktor wieder in den Volllastbetrieb gehen. Durch einen Kurzschluss im Maschinentransformator kam es zu einer erneuten Reaktorschnellabschaltung. Die Atomaufsicht erfuhr davon jedoch zuerst durch die Polizei, statt durch Vattenfall - ein klarer Verstoß gegen die Bestimmungen für Störfälle.

Zudem wurden bis zu zwei Zentimeter große Metallspäne im Kühlwasser des Reaktors festgestellt, die zu Schäden an den Brennelementen führten. Nach genauerer Prüfung wurde festgestellt, dass Vattenfall die Fehler von 2007 wiederholte und vergessen hatte eine Messeinrichtung zum Schutz des Transformators zu montieren.

Der Kraftwerksleiter mußte 2009 gehen und der derzeitigen Leiterin fehlt die notwendige Qualifikation. Ihr fehlt die Erfahrung im laufenden Betrieb eine Atomkraftwerkes. Doch die holt sie jetzt nach. Als laufender Betrieb reicht bei einem Atomkraftwerk auch der sogenannte Stillstandsbetrieb - also Fahrschuhle am stehenden Fahrzeug.

Es ist offensichtlich, dass die Zustände in jedem Bereich skandalös sind. Insgesamt stand das Atomkraftwerk Krümmel wegen technischer Probleme fast durchgängig über drei Jahre hinweg still. Probleme bei der Stromversorgung der Region hat es trotzdem nicht gegeben. Sie ist also auch ohne Krümmel gesichert. Wofür brauchen wir denn Reaktor noch?

  • Greenpeace-Projektion am AKW Krümmel, November 2009

    Projektion am AKW Krümmel

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  • Ausbreitung der Radioaktivität nach schwerem Unfall im AKW Krümmel

    Grafik AKW Krümmel

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