Raus aus dem Dreck
Deutsche Kohlekraftwerke pusten im Jahr über 5000 Kilogramm Quecksilber in die Luft. Damit stammen rund zwei Drittel dieser Emissionen aus den Schloten von Kohlemeilern. Gefährlich ist das insbesondere für Embryos und Kleinkinder.
Quecksilberverbindungen schädigen die Entwicklung des zentralen Nervensystems und damit die geistige Entwicklung. Es wird hauptsächlich über die Nahrungskette und hierbei speziell über den Verzehr von Fisch aufgenommen. „Quecksilber ist für das sich entwickelnde Zentralnervensystem eine der giftigsten Substanzen, die es gibt“, sagt die Toxikologin Prof. Dr. Ellen Fritsche. Auch bei Erwachsenen, die viel Fisch essen, sind zu hohe Werte im Blutbild nachweisbar. Eine Studie der Süddänischen Universität Welche vermutet, dass die hohe Zahl der Parkinson-Erkrankungen auf den Färörer-Inseln mit dem Konsum von quecksilberbelastetem Walfleisch zusammenhängt.
Menschen nehmen die Substanz nicht, wie zu vermuten wäre, überwiegend über die Luft auf, sondern über Lebensmittel– hauptsächlich durch Speisefisch. Das Quecksilber aus den Schloten verbreitet sich über die Atmosphäre selbst in weit entlegene Gebiete wie die Arktis. Die größte Konzentration ist in den Meeren zu finden – gespeist von Flüssen. Das Gift verbleibt nicht nur lange in der Umwelt; es sammelt sich im menschlichen Körper an und baut sich dort nicht wieder ab. Bereits kleine Mengen können dem Gehirn schaden.
Deutschland setzt auf dreckige Kohle
Wie alarmierend die Gesundheitsgefährdung ist, zeigt eine internationale Untersuchung von 2013 zur Quecksilberbelastung in Europa: Danach kommen in der EU pro Jahr etwa 1,8 Millionen Babys mit bedenklichen Methylquecksilberwerten zur Welt. Nachgewiesen wurden diese Werte in Haarproben.
Um die Gesundheitsrisiken zu minimisieren, haben die USA bereits gehandelt und das Limit für den Quecksilberausstoß von Kohlekraftwerden massiv gesenkt. In Deutschland würde lediglich eines von insgesamt 52 deutschen Kohlekraftwerken die Vorgaben in den USA erfüllen. Trotz angekündigter Energiewende sind sogar vierzehn neue Kohlemeiler geplant; es ist mehr dreckiger Kohlestrom im Umlauf als noch vor ein paar Jahren.
Gift für Mensch und Umwelt
Doch Quecksilber ist nicht das einzige Gesundheitsrisiko. Mit der Studie „Tod aus dem Schlot“ machte Greenpeace bereits im Jahr 2013 auf das Problem zu hoher Feinstaubbelastung durch Kohlekraft aufmerksam. In Deutschland verursacht die Kohleverstroumg laut dieser Untersuchung jährlich bis zu 3100 vorzeitige Todesfälle.
Kohle ist toxisch – für die Gesundheit und für das Klima: Kohlekraftwerke – insbesondere Braunkohlemeiler – stoßen nicht nur große Mengen giftiges Quecksilber aus, sie sind auch die größten CO2-Schleudern. Zahlen der EU-Kommission haben erst kürzlich belegt, dass vier der fünf größten CO2-Emittenten in Europa Braunkohlekraftwerke in Deutschland sind.
„Welcher Gründe bedarf es noch, bevor die schmutzigen Kraftwerke nachgerüstet werden oder besser gleich vom Netz gehen“, sagt Andree Boehling, Greenpeace-Experte für Energie. „Die Energiewende muss auch zum Schutz der Menschen vor den enormen Gesundheitsgefahren durch die Kohle beschleunigt werden!.“
Was macht die Politik?
Beim diesjährigen G7-Gipfel im bayerischen Elmau kündigte Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Abschlusserklärung die "Dekarbonisierung" der globalen Wirtschaft im 21. Jahrhundert an. Klar ist: Um das Ziel zu erreichen, führt am Kohleausstieg in Deutschland kein Weg vorbei. Doch während Frau Merkel auf der internationalen Bühne Klimaschutz fordert, bleibt sie in Deutschland untätig.
300.000 Unterschriften für einen schrittweisen Kohleausstieg haben die Organisationen Bund, NABU, Greenpeace, Oxfam, 350.org und Klimaallianz am 1. Juli 2015 den Koalitionsspitzen am Bundeskanzleramt übergeben. Doch Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) enttäuschten die Erwartungen mit einem Kompromiss, der die Kohleindustrie schont und ein Erreichen der deutschen Klimaschutzziele mehr als fraglich erscheinen lässt.
Ende 2015 werden in Paris knapp 200 Staats- und Regierungschefs einen neuen Weltklimavertrag unterzeichnen. Welche Richtung die Energiepolitik in Deutschland einschlägt, kann wegweisend für die Klimaverhandlung sein. Deutschland muss zeigen, dass das Ziel machbar ist, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken – trotz Ausstieg aus der Atomkraft. Doch das geht nur, wenn auch der Ausstieg aus dem Kohlezeitalter jetzt beginnt.