
Interview mit Silas Kpanan´ Ayoung Siakor
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Der 32-Jährige Westafrikaner Silas Kpanan' Ayoung Siakor setzt sich in seiner Heimat Liberia mit großem Engagement für Menschen und Natur ein. Als Koordinator der NGO Save My Future Foundation (SAMFU, gegründet 1987) macht sich Siakor vor allem im Projekt rian Forest and Human Rights Campaigny stark.
Zur Situation: Von ursprünglich 727,900 Quadratkilometern wurde der liberianische Regenwald (Upper Guinean Forest Ecosystem) in den vergangenen Jahrzehnten auf nicht einmal 13 Prozent seiner ursprünglichen Größe reduziert. Menschenrechtsverletzungen sind in dem von Bürgerkriegen zerrütteten Land an der Tagesordnung. Nutznießer sind meist große Holzunternehmen wie die Oriental Timber Corporation (OTC). Durch ihr Geschäft fördern sie den Waffenhandel innerhalb Liberias und mit den Nachbarländern. Greenpeace sprach mit Silas vergangener Woche in Bonn. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews.
Greenpeace Online: Am 6. Mai hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu entschlossen, dem Waffenembargo von 1992 und dem Embargo gegen den Handel mit Diamanten (2001) weitere Sanktionen folgen zu lassen: Mit Wirkung vom 7. Juli gilt ein Exportverbot für Holz. Wie war die Reaktion vor Ort?
Silas: Das lässt sich nicht leicht beschreiben, denn dazu ist es notwendig eines zu verstehen: Der größte Teil der Bevölkerung hat natürlich nie vom Holzhandel profitiert. Insofern interessiert sie auch das Embargo nicht weiter. Es ändert für sie nichts. Wir und andere NGOs jedoch waren und sind begeistert, sind wir unserem Ziel doch ein großes Stück näher gekommen.
Greenpeace Online: Ist der Bevölkerung denn nicht klar, dass mit den Sanktionen vermutlich auch das vorläufige Ende der Fällungen verbunden ist, die letzten Reste des Regenwaldes etwas sicherer sind als vorher?
Silas: Genau das ist der Punkt: Es ist unsere Aufgabe, ihnen klar zu machen, dass sie zukünftig von diesem Embargo profitieren werden. Dass der Schutz der Umwelt zuletzt ihre Zukunft bedeutet. Auf lange Sicht ist das Embargo das Beste, was uns passieren konnte. Allerdings ist es nicht so, dass die Unternehmen seit Bekanntwerden des Beschlusses die Äxte hätten fallen lassen. Ich habe Informationen, dass in den vergangenen Wochen 200.000 Kubikmeter Tropenholz ausgeführt worden sind - auch über den Entscheid des Sicherheitsrates hinaus.
Greenpeace Online: Was also ist zu tun, damit sich das Embargo als echte Chance erweist?
Silas: Es liegt nun in unseren Händen und denen anderer NGOs, die Bevölkerung vorzubereiten. Den Menschen klar zu machen, dass wir die nächsten Jahre nutzen müssen, um uns vorzubereiten. Dazu müssen wir professionelle Beobachter ausbilden, die Landbevölkerung schulen, Verständnis schaffen für die Ressourcen unseres Landes. Nur dann können wir, wenn die Sanktionen irgendwann aufgehoben werden, den Holzunternehmen mit einer Liste von Forderungen begegnen und ihnen entgegentreten mit den Worten: Hey, ich will deine Konzession sehen und wissen, was du wo vorhast, wieviel du einschlagen willst und wie du arbeitest'. Man darf nicht vergessen, dass in Liberia der Holzeinschlag üblicherweise illegal ist - das heißt: Niemand kümmert sich um zahlenmäßige Beschränkungen oder gar Auflagen zur nachhaltigen Produktion.
Greenpeace Online: Wäre dann nicht auch die Einführung von Zertifikationen im Stile etwa des FSC-Siegels ein geeignetes Mittel, um dem Raubbau zu begegnen?
Silas: Wir haben in Afrika keine Erfahrung mit diesen Dingen. Ganz sicher wäre es ein sehr großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Doch darf es nicht so sein, dass ein solches Siegel von außen kreiert oder etwa aus Bolivien einfach übernommen wird. Eine Beteiligung der Bevölkerung, eine Abstimmung mit deren Bedürfnissen ist dringend notwendig. Zu lange waren die Menschen in Liberia nicht an ihrem Schicksal beteiligt, gab es weder Transparenz was die rechtlichen Absprachen mit den Holzunternehmen betrifft, noch Dezentralisation hinsichtlich der politischen Struktur. Frühere Generationen haben im Einklang mit dem Wald gelebt, wussten um dessen Wert - dahin müssen wir zurück.
Greenpeace Online: Ist das mit der Regierung von Charles Taylor zu erreichen?
Silas: Wir treiben durch unsere Forderungen natürlich auch die politische Diskussion voran - und das ist gut. Dennoch sehen wir uns nicht als politische Fraktion. Im Gegenteil: Wir versuchen, unsere Anliegen bei allen politischen Gruppen anzubringen, denn nur so können wir etwas erreichen. Wir informieren sie, vermitteln Gespräche, legen ihnen Beweise vor. Das ist unser Part. Natürlich ist Taylor, sind seine Waffengeschäfte ein Problem. Doch längst ist es nicht mehr er allein, der das Schicksal Liberias lenkt. Fakt ist, dass Taylor die Waldregionen nicht mehr kontrolliert. Das Land ist dreigeteilt: der Wald ist generell in den Händen der Rebellen, das Gold speziell bei LURD, die Diamanten bei MODEL. Taylor bleibt der Hafen - was ihm allerdings noch genug Geld einbringt. Es wäre ein großer Fehler, sich künftig nur auf seine Regierung zu konzentrieren. Die Rebellen sind ebenso schuldig am Raubbau und an den Menschenrechtsverletzungen. Auch sie müssen dringend unter Beobachtung bleiben.
Greenpeace Online: Was können die Menschen in den Abnehmerländern tun, um die Liberianer in ihrem Kampf zu unterstützen?
Silas: Jeder, der wissentlich Holz aus Liberia kauft, als Gartenstuhl oder als Bauholz, macht sich mitschuldig an den Verbrechen in meinem Land. Den Verbrechen an Natur und Menschen. Es ist dringend notwendig, dass der Boykott funktioniert und möglichst viele Menschen über die Hintergründe informiert werden. Die Arbeit von Greenpeace ist da das beste Beispiel. Es ist fantastisch: Ich fahre nach Hause, nach Westafrika und sehe ein Greenpeace-Schiff, das ein OTC-Schiff begleitet und protestiert. Das ist der Weg.
Greenpeace Online: Wie geht es nach Deiner Rückkehr vor Ort weiter?
Silas: Wir werden einen ausführlichen Bericht für den Sicherheitsrat anfertigen. Dessen Mitglieder haben zwar nicht offiziell um Unterstützung ersucht, doch es hat sich viel ereignet - und das muss festgehalten werden. Und dann werden wir mit der Aufklärungsarbeit beginnen, anfangen, die Menschen auf eine neue Zukunft vorzubereiten. Ich werde diese Arbeit lieben.
Greenpeace Online: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für deine Arbeit!
Hier finden Sie den
ersten Teil des Interviews mit Silas Kpanan' Ayoung Siakor.