Mehr als Holz – Warum wir ein starkes Bundeswaldgesetz brauchen
- Ein Artikel von Miryam Nadkarni
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Alte Bäume, Totholz, Waldboden – all das hat im neuen Entwurf des Bundeswaldgesetzes keine Priorität. Bisher.
Dürren, Borkenkäfer, Waldbrände, Artensterben – die Wälder in Deutschland sind in einem kritischen Zustand. Laut des aktuellen Waldzustandsberichts ist nur noch jeder fünfte Baum gesund. Ursachen dafür sind die Klimakrise, die intensive Forstwirtschaft und ein Gesetz. Das aus dem Jahr 1975 stammende Bundeswaldgesetz definiert den Wald hauptsächlich als Holzlieferanten, nicht aber als schützenswertes und schützendes Ökosystem mit vielen für unser Überleben unverzichtbaren Leistungen.
Nun erneuert das Landwirtschaftsministerium unter der Federführung von Minister Cem Özdemir das veraltete Bundeswaldgesetz, wie auch im Koalitionsvertrag angekündigt. Doch der im August 2024 bekannt gewordene Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes ist für Umweltverbände, gelinde gesagt, eine Enttäuschung: Er schützt den Waldboden nicht ausreichend, er verbietet Kahlschläge nicht wirksam und er legt nicht genügend Wert auf den Erhalt alter Bäume und Totholz im Wald. Grundsätzlich stellt er den Waldschutz auf die gleiche Ebene wie die Forstwirtschaft. Dabei müsse der Schutz wegen des verheerenden Zustands der Wälder in Deutschland eigentlich wichtiger sein.
"Dieser Entwurf bleibt meilenweit hinter dem zurück, was zum Schutz der deutschen Wälder nötig ist", sagt Greenpeace-Waldexpertin Dorothea Epperlein. "Fast 50 Jahre lang hatte die Forstindustrie einen Freifahrtschein, den Wald zu stark zu bewirtschaften und beispielsweise ohne Ende Fichtenmonokulturen zu pflanzen, um möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Das Resultat ist, dass wir überall sterbende Wälder sehen. Der Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes würde diesen Freifahrtschein verlängern – auf Kosten aller Menschen, denn wir brauchen gesunde, natürliche Wälder, um CO2 zu speichern und die Klima- und Artenkrise in den Griff zu bekommen.“
Entwurf im Widerspruch zum Klimagesetz und Nature Restoration Law
Der mangelhafte Entwurf steht im Widerspruch dazu, dass sich Deutschland vertraglich verpflichtet hat, mehr für den Waldschutz zu tun. Die europäischen Staaten haben vor vielen Jahren schon erkannt, dass Wohlstand, Freiheit und Sicherheit ihrer Bürger:innen von einem stabilen Klima und unsere natürlichen Umwelt abhängen. Deswegen sieht das in Deutschland 2019 verabschiedete Klimagesetz vor, dass Wälder als CO2-Speicher stärker geschützt werden müssen.
Das kürzlich verabschiedete EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur besagt, dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU renaturiert werden müssen. Dazu gehört auch, dass Kiefern- und Fichtenmonokulturen wieder in Laubmischwälder umgebaut und die vorhandenen Laub- und Laubmischwälder stärker geschützt werden. Ohne ein starkes Waldgesetz, das den Schutz der Wälder priorisiert und konkrete Maßnahmen zum Schutz und für den natürlichen Klimaschutz garantiert, können diese Ziele, von denen unsere Zukunft abhängt, nicht umgesetzt werden.
Wie können wir das Bundeswaldgesetz verbessern?
Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt. Denn in der Regel beginnt mit der Veröffentlichung des Entwurfs die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Das bedeutet, dass Verbände wie Greenpeace ihre Kritik und Verbesserungsvorschläge einfließen lassen und Druck ausüben werden, um das Gesetz im Sinne des Naturschutzes zu stärken.
Ein starkes Bundeswaldgesetz - jetzt
Die Waldzerstörung ist ganz legal, denn das aktuelle Bundeswaldgesetz regelt vor allem die Forstwirtschaft und vernachlässigt den Schutz des Waldes. Dieses Jahr, nach fast 50 Jahren, will die Bundesregierung das Waldgesetz endlich auffrischen. Hier sind zehn Punkte, an denen wir ein Waldgesetz erkennen, das den Wald tatsächlich schützt: (Langfassung hier).
- Waldschutz ist darin wichtiger als Holzproduktion.
- Waldschutz bedeutet Klima- und Artenschutz.
- Waldschutz ist bundeseinheitlich geregelt. Er ist nicht länger “Ländersache”.
- Waldbesitzer:innen sind verpflichtet, ihren Wald naturnah, also schonend, zu bewirtschaften.
- Es gibt keine Nadelwald-Plantagen mehr, sondern naturbelassene Laubwälder.
- Wald ist wild: Mindestens 15 Prozent der Waldfläche müssen dauerhaft unter strikten Schutz gestellt und der natürlichen Entwicklung überlassen werden.
- Wertvolle Laubwälder werden nicht für Infrastrukturprojekte geopfert, auch nicht für Windenergie, Bahntrassen etc.
- Waldmonitoring misst nicht nur die Holzqualität und -quantität, sondern auch Faktoren wie Artenvielfalt, Menge an Totholz etc.
- Holzverbrennung wird als nicht-nachhaltig definiert.
- Holzeinschlag ist gesetzlich eingeschränkt und recyceltes Holz wird verwendet.
Waldschutz jetzt!
Greenpeace überreicht Petition an Özdemir
Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, überreicht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 26.4. eine Petition für mehr Waldschutz. Über 80.000 Menschen haben unterschrieben und große Hoffnung auf Veränderung, denn: Nachdem das Bundeswaldgesetz 50 Jahre lang vor allem den Interessen der intensiven, konventionellen Forstwirtschaft gedient hat, wird es in diesem Jahr erneuert. Cem Özdemir hat somit jetzt die Möglichkeit, aus dem bisherigen “Abholz-Gesetz” ein “Waldschutzgesetz” zu machen. Jetzt ist das Landwirtschaftsministerium am Zug!
Fragen zum Bundeswaldgesetz
Was ist das Bundeswaldgesetz?
Das aktuelle Bundeswaldgesetz (BWaldG) stammt aus dem Jahr 1975 und genauso veraltet ist seine Sicht auf den Wald. Theoretisch geht es um den Erhalt der Wälder und ihrer Funktionen. In der Praxis steht aber die Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt, das heißt der kurzfristige Profit mit Holz als Rohstoff. Durch das Gesetz konnte die konventionelle Forstwirtschaft Wälder ausbeuten und klima- und naturschädliche Fichten- und Kiefern-Monokulturen in großem Stil anpflanzen.
Was hat intensive Forstwirtschaft mit Waldsterben zu tun?
Die Forstwirtschaft hat inzwischen industriellen Züge angenommen: schwere Maschinen verdichten den Boden, Monokulturen stehen in schnurgeraden Reihen, es fehlt an Totholz und Habitatbäumen, Rückegassen zerschneiden die Fläche und das schützende Kronendach wird regelmäßig aufgerissen.
Die Auswirkung davon sind instabile, vertrocknete, schwächelnde Wälder. Das ist fatal, denn wir alle leben vom Wald und können nicht auf das lebendige Ökosystem mit seinen vielen Leistungen (Luftreinigung, Kühlung, CO2-Senke etc.) verzichten. Der Wald ist mehr als nur Holz.
Was haben Monokulturen mit Waldsterben zu tun?
Wie stellen Sie sich einen Märchenwald vor? Vermutlich hat er alte, knorrige Bäume, moosbewachsene Steine, Farne und Pilze. Er ist kühl, ruhig und grün. So sahen der Harz, die Sächsische Schweiz, der Schwarzwald vor Jahrhunderten aus. Laub- und Mischwälder sind die natürlichen Wälder Deutschlands, aber sie sind selten geworden. Die Forstindustrie hat sie nach und nach abgeholzt und in Kiefern- und Fichten-Plantagen umgewandelt. Diese Nadelbäume wachsen schneller als Laubbäume, können also schneller gefällt und wieder gepflanzt werden. Schneller Nachschub für unseren Holzhunger - aber zu welchem Preis?
Wie alle Monokulturen sind diese Plantagen anfällig für Krankheiten, Dürren, Insektenschäden und Brände. Auch die Laub- und Mischwälder leiden unter intensiver Forstwirtschaft. Laut des aktuellen Waldzustandsberichts haben nur 21 Prozent der Bäume in Deutschland noch gesunde Kronen. Das bedeutet also, dass vier von fünf Bäumen inzwischen geschädigt sind. Das liegt zum einen an der Klimakrise, aber viel mehr an der Tatsache, dass die Holzproduktion bei der Waldnutzung noch immer an erster Stelle steht.
Rechtsgutachten NRL BWaldG.pdf
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