Jetzt spenden
Banner am BMEL, Aktivist im Vordergrund
Jan Zappner / Greenpeace

Landwirtschaftsministerin Klöckner ein Jahr im Amt: Greenpeace zieht ernüchternde Bilanz

Viel versprochen, nichts getan – Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner wollte in ihrem neuen Amt vieles besser machen. Stattdessen blieb das meiste, wie es war: schlecht.

Seit einem Jahr ist Julia Klöckner als Landwirtschaftsministerin im Amt. Mit ihrer Bilanz dürfte die CDU-Politikerin nicht einmal selbst zufrieden sein. Erfolge kann sie keine vorweisen: In deutschen Schweineställe hat sich nichts an den teils skandalösen Haltungsbedingungen geändert. In der Frage, ob und wie man Fleisch für den Kunden kennzeichnet, agierte die Ministerin so zögerlich und mutlos, dass Supermarktketten wie Lidl und Edeka mit überzeugenderen Lösungen an ihr vorbeizogen – die von ihr vorgeschlagene „freiwillige Haltungskennzeichnung“ ist ein lückenhafter Kompromiss, der weder von Verbrauchern noch vom Einzelhandel gewünscht wird. 

Auf den Tisch, nicht unter den Teppich

Weil es so nicht weitergehen kann, protestierten heute Morgen 29 Greenpeace-Aktivisten am Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin. Sie bedienten sich dabei eines Motivs des Streetart-Künstlers Banksy, in leicht abgewandelter Form: Auf einem 100 Quadratmeter großen Plakat sieht man die Ministerin, die heimlich etwas verschwinden lässt. Der Bannerspruch dazu lautet: „Tierleid nicht unter den Teppich kehren, Frau Klöckner!“ Mehr als 125.000 Menschen schließen sich der Forderung an. Die Unterzeichner der heute dem Ministerium übergebenen Greenpeace-Petition wünschen sich von der Ministerin, dass sie sich für eine artgerechte und ökologische Tierhaltung in der Landwirtschaft einsetzt.

Es ist ja nicht so, als hätte sie es nicht vor. So sagt sie zumindest. Zu ihrem Amtsantritt im März 2018 erklärte Julia Klöckner noch: „Lücken im Tierschutz müssen wir schließen. Ich will, dass es allen Tieren gut geht.“ Passiert ist seitdem nichts. „Im ersten Jahr im Amt hat Julia Klöckner viel gesagt, aber wenig getan“, sagt Lasse von Aken, Greenpeace-Experte für Landwirtschaft. „Wenn Klöckner nicht die Ankündigungsministerin der Großen Koalition bleiben will, muss sie jetzt die offenkundigen  Probleme angehen und darf sie nicht länger schönreden.“

Ihr Unwillen, auf Worte Taten folgen zu lassen, hat konkrete Folgen für Millionen Tiere. Die schmerzhafte, betäubungslose Kastration von Ferkeln verstößt eindeutig gegen das Tierschutzgesetz, ist aber in Deutschland noch mindestens bis 2021 erlaubt – wegen Julia Klöckner, die die Genehmigung um zwei Jahre verlängerte. Eine Entscheidung im Sinne der Agrarindustrie: Die Kastration ist laut Landwirten notwendig, damit sie das Fleisch verkaufen können: Sie verhindert, dass sich in manchen Fällen ein strenger Ebergeruch entwickelt. Das Vorgehen ist brutal und unzeitgemäß, aber billig. Alternativen zur Kastration bei vollem Bewusstsein gäbe es, aber die kosten zwischen zwei und vier Euro pro Tier. Für viele Bauern – und offenbar die Bundesregierung – ein zu hoher Preis für vermindertes Leid.

Lange Liste der Versäumnisse

Ähnliches gilt für das Kupieren von Schweinen, also das Abschneiden der Ringelschwänze – eine gängige, ebenfalls schmerzhafte Praxis, die bei besseren Haltungsbedingungen gar nicht nötig wäre: Wenn die Tiere so beengt stehen, wie es die Mindeststandards vorsehen, kommt es zu Verhaltensstörungen – zum Teil beißen sich die Tiere im Stall die Schwänze blutig. Um das zu verhindern, werden sie schlichtweg abgeschnitten. Nach EU-Recht ist das seit 1994 verboten, doch Deutschland lässt sich mit der Umsetzung des Gesetzes viel Zeit. So viel, dass der Bundesregierung nun ein Vertragsverletzungsverfahren droht.

Aus EU-Sicht nicht das einzige Vergehen der Landwirtschaftsministerin. Im Juni 2018 wurde Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser vom Europäischen Gerichtshof verurteilt – eine Folge von zu viel Gülle auf deutschen Äckern. „Klöckner hat das Problem massiv unterschätzt“, sagt van Aken, „Deswegen drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe, und die Düngeverordnung muss nachgebessert werden.“ Für den notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland hat sie in ihrem Haushalt keinerlei zusätzliche Mittel  bereitgestellt. Dabei beziffert ihr wissenschaftlicher Beirat die dafür notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe. Die Liste dessen, was Julia Klöckner in den vergangenen zwölf Monaten versäumt und verbockt hat, gehört endlich auf den Tisch – und nicht unter den Teppich.

  • Aktivisten mit Foto eines Schweines und Banner gegen Tierleid

    Leere Worte aus dem Ministerium

    Überspringe die Bildergalerie
  • Protestpostkarten in Kisten, mit Aktivisten

    Kistenweise Unterstützung

    Überspringe die Bildergalerie
  • Banner am BMEL

    125.000 Menschen für bessere Haltungsbedingungen

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie
Datum

Mehr zum Thema

Zwei Burger mit reichlich Salatblättern, Zwiebeln, Tomaten, Patty auf einem Holzbrett angerichtet
  • 08.04.2024

Droht ein Nährstoffmangel, wenn ich mich vegan ernähre? Immer mehr Menschen stellen ihre Ernährung um – und haben Fragen. Greenpeace hat einen Ernährungswissenschaftler um Antworten gebeten.

mehr erfahren
Kuh auf der Weide
  • 18.03.2024

Was würde passieren, wenn alle Kühe auf der Weide grasen würden - statt Hochleistungsfutter aus dem Trog zu fressen? Wie viel Milch und Fleisch gäbe es dann noch? Das zeigt nun eine Studie.

mehr erfahren
Kletter:innen und großes gelbes dreieckiges Banner am Milchsilo mit der Aufschrift "Achtung Tierleid" und einer abgebildeten Kuh
  • 09.03.2024

Die Molkerei Hochwald wirbt mit hoher Qualität und verkauft unter dem Label Bärenmarke hochpreisige Milch. Fotos belegen nun, dass die Haltung der Milchkühe häufig gegen den Tierschutz verstößt.

mehr erfahren
Kühe stehen mit Ketten angebunden nebeneinander im Stall
  • 06.03.2024

Verdreckte Kühe, die so angebunden sind, dass sie sich kaum bewegen können. Fotos zeigen grausame Tierhaltung auf Höfen, die die Bärenmarke-Molkerei beliefern.

mehr erfahren
Vier überdimensionale Milchtüten stehen als Installation vor dem Eingang zur Internationalen Grünen Woche, begleitet von den Umweltaktivist:innen mit Transparenten: "Klimakrise: Die Milch macht's!"
  • 19.01.2024

Die Milchindustrie hält sich bedeckt, dabei ist der Ausstoß von Klimagasen in der Branche immens, zeigt eine Analyse. Es gibt jedoch Lösungen, den Methanausstoß zu reduzieren.

mehr erfahren
Hände halten mit Topflappen einen Auflauf, im Hintergrund der Küchenarbeitsplatte stehen ein Mensch und ein Tannenbaum
  • 20.12.2023

Alle Jahre wieder: Kartoffelsalat mit Würstchen an Heiligabend, Braten mit der lieben Verwandtschaft an den Weihnachtstagen. Oder etwa nicht?

mehr erfahren