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Claudia Hautumm / pixelio.de

VIG: noch nicht gut

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Der Bundestag hat am 2. Dezember 2012 die Reform des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) beschlossen. Damit reagierte die Bundesregierung auf die jahrelange Kritik von Umwelt- und Verbraucherschützern und auf Mängel, die Anfang 2011 im Zuge des Dioxinskandals deutlich geworden waren. Damals war Ministerin Aigner unter Druck geraten und hatte versprochen, den Zugang der Bürger zu Daten der Lebensmittelkontrolle erheblich zu verbessern.

Im Vergleich zu dem Gesetz von 2008, das sich als weitgehend wirkungslos erwiesen hat und von Greenpeace wiederholt kritisiert wurde, sieht die Novelle entscheidende Verbesserungen vor. So sollen die Anträge zukünftig auch per E-Mail gestellt werden können statt nur per Brief. Außerdem wird bei einfachen Fragen von einer Gebührenerhöhung abgesehen. Bei Normverstößen, also z.B. Grenzwertüberschreitungen bei kontrollierten Lebensmitteln, wird es in Zukunft eine automatische Veröffentlichung durch die Behörden geben, auch ohne Verbraucheranfrage.

Enger gefasst werden die Ausnahmeklauseln von der Auskunftspflicht, zum Beispiel beim wichtigen Punkt der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, auf die sich die Firmen gerne berufen: Hier ist in Zukunft zu prüfen, ob nicht eventuell das öffentliche Interesse an der Freigabe der Information das Interesse der Firma an der Geheimhaltung überwiegt - eine Verbesserung, die Greenpeace immer wieder gefordert hatte. Schwammige Klauseln wie etwa der Schutz sonstiger wettbewerbsrelevanter Informationen, die gerne als Hebel für eine Ablehnung des Informationsbegehrens genutzt wurden, werden gestrichen.

Die Reform des Verbraucherinformationsgesetzes ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie geht noch nicht weit genug, kommentiert Manfred Redelfs, Leiter der Rechercheabteilung von Greenpeace. So bemängelt Redelfs, dass nur bei Verstößen eine automatische Veröffentlichung der Kontrollergebnisse eingeführt wird, während etwa das Nachbarland Dänemark seit Jahren alle Kontrollberichte automatisch ins Internet stellt und damit die Lebensmittelsicherheit wesentlich verbessern konnte. Die Bürger sollten auch in Deutschland das Recht erhalten, alle Kontrollberichte im Internet nachzulesen. Das schafft für die Unternehmen den besten Anreiz, auf eine einwandfreie Qualität zu achten, so Redelfs.

Auch sind Dienstleistungen, vor allem Finanzdienstleistungen, nicht von der Novelle abgedeckt, obwohl viele Bürger gerade bei Finanzprodukten mehr Transparenz fordern. Kritisch sieht der Greenpeace-Rechercheur auch die Klausel, nach der jenseits der Bagatellschwelle Gebühren in unbegrenzter Höhe erhoben werden können. Dies könne von auskunftsunwilligen Behörden genutzt werden, um unliebsame Fragesteller mit abschreckenden Gebühren auf Distanz zu halten. Vor allem Journalisten, Umwelt- und Verbraucherschützer stellen häufig umfassendere Anträge, die jetzt mit kostendeckenden Gebühren belegt werden können. Außerdem gibt es nach wie vor keinen Auskunftsanspruch gegen die Unternehmen selbst, bei denen die meisten Informationen vorliegen, sondern nur gegenüber Behörden.

Der Greenpeace-Experte vermisst auch eine Zusammenfassung der bestehenden Informationsrechte in einem einzigen bürgerfreundlichen Gesetz, so wie von Greenpeace Ende 2010 vorgeschlagen. Eine solche Bündelung würde den Paragraphendschungel für die Bürger durchschaubarer machen und auch Rechtsunsicherheiten bei den Behörden beseitigen. Derzeit verfügt Deutschland über 29 verschiedene Informationszugangsregelungen bei Behördendaten. Ausgerechnet die Transparenzgesetze sind bei uns höchst intransparent, kritisiert Redelfs.

Das Fazit fällt zwar positiv aus, wenn man die alte Gesetzeslage zum Vergleich heranzieht, aber es wurden manche Chancen zur Weiterentwicklung vertan: Das neue Verbraucherinformationsgesetz ist leider wie ein Auto, das nur mit angezogener Handbremse fährt. Aber ich freue mich, dass es jetzt zumindest fährt, bilanziert Manfred Redelfs.

Eine ausführliche Greenpeace-Stellungnahme zur Novelle des VIG finden Sie im angehängten PDF.

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