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Wodurch wurdet Ihr auf Greenpeace aufmerksam?

Thomas: Durch die Besetzung des Schornsteins der dioxinverseuchten Boehringer-Fabrik in Hamburg und die Aktionen gegen Atommüllverklappung im Atlantik und die Dünnsäureverklappung in der Nordsee. Das war damals etwas total Neues. Das hat keiner so gemacht, und das war einfach attraktiv. Ich habe gesehen, da ist eine Organisation, die wirklich Diskussionen anstößt und etwas bewegt.

Hannelore: 1982 gab es diese großen Aktionen zur Robbenkampagne, davon habe ich in der Zeitung gelesen. Ich habe an die dort genannte Adresse in Bielefeld geschrieben und Antwort bekommen - mit beigefügtem Button und einer Unterschriftenliste. Ich hab' dann halt überall Unterschriften gesammelt. Die Frau des Zahnarztes, bei dem ich als Zahnarzthelferin gearbeitet habe, war beim Bundesumweltamt. Die brachte mich in Kontakt mit einem Berliner Greenpeacer, der schon eine ganze Reihe junger Leute um sich geschart hatte. Gemeinsam haben wir dann die Greenpeace Gruppe Berlin aufgebaut.

Anfang der achtziger Jahre gab es viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Warum seid Ihr zu Greenpeace gegangen und nicht zu einer anderen Organisation, die sich mit Umwelt oder Abrüstung beschäftigt hat?

Bernd: Für mich kamen konsequentes Vorgehen und vernünftiges Miteinander bei Greenpeace zusammen.

Hannelore: Die haben halt nicht nur am grünen Tisch gesessen und geredet, wie viele andere Gruppierungen das gemacht haben. Nach dem Grundsatz der Quäker allein durch Anwesenheit gewaltfrei zu protestieren, das hat mich schon fasziniert.

Was habt Ihr damals in Eurer Gruppe genau gemacht?

Hannelore: Die Hauptsache war Öffentlichkeitsarbeit, um den Namen und die Ziele von Greenpeace bekannt zu machen. Die Leute hielten uns ja für Spinner. In den ersten Jahren habe ich jeden Samstag von 10 bis 18 Uhr am Kurfürstendamm Infostand gemacht. Jeden Samstag, ob es regnete, schneite oder minus 10 Grad kalt war. Dann stand ich eben im Skianzug da und sprang anschließend zuhause unter die warme Dusche.

Thomas: Ich habe in den ersten Jahren über zweihundert Vorträge gehalten, mal vor fünf Leuten, mal vor 150 Leuten. Wir haben auch relativ früh versucht, eigene Themen einzubringen. Wir haben Wochenendseminare zum Waldsterben organisiert und auch die Kollegen aus dem Hamburger Büro dazu eingeladen. Die sind dann durch den Wald gestapft und waren wirklich platt, weil sie das aus dem Norden so nicht kannten. Das war sozusagen der Startschuß für die Kampagne gegen das Waldsterben.

Wie sah Euer Verhältnis zur Zentrale in Hamburg aus?

Hannelore: Am Anfang war das eigentlich eine ganz nette Angelegenheit, aber kein direktes Miteinanderarbeiten. Die Gruppen haben wahrscheinlich mehr Arbeit gemacht, als es den Hamburgern Spaß gemacht hat.

Thomas: Mein persönliches Verhältnis war relativ gut, aber ich bin auch sehr früh selbst nach Hamburg gefahren und habe bei einer Dünnsäurekampagne vom Büro aus mitgeholfen. Viele der Ehrenamtlichen hatten, glaube ich, kein richtiges Verhältnis zu den Hauptamtlichen. Dieser kleine Haufen in Hamburg hatte alle Hände voll zu tun, mit dem Medienecho und dem ganzen Drumherum fertig zu werden. Da wurden die Gruppen eher als lästig angesehen.

Bernd: Also ich hatte nicht das Gefühl, daß wir irgendwie ein Anhängsel waren, im Gegenteil. Ich fand den Umgang immer sehr kooperativ und offen.

Greenpeace ist in den achtziger Jahren rasant gewachsen. Immer mehr hauptamtliche MitarbeiterInnen wurden eingestellt, immer mehr ehrenamtliche stießen zu den Gruppen. Gab es Probleme damit?

Hannelore: Manchmal war´s schon ein bißchen schwierig. Nach Tschernobyl zum Beispiel schnellte die Zahl unserer Gruppenmitglieder auf 80, 85 Leute herauf, die alle mitarbeiten wollten. Wir hatten damals noch kein Büro, also keine richtige Anlaufstelle. Später haben wir dann aus eigenen Mitteln ein Büro finanziert, und es gab feste Öffnungszeiten.

Thomas: Für mich war immer klar: Wenn die Organisation wirklich erfolgreich sein soll und als echtes Korrektiv in der Umweltpolitik etwas bewegen will, dann muß sie eine gewisse Größe und Durchsetzungsfähigkeit haben. Es ist nur unsere Aufgabe, dieses Wachstum auch nach innen sozialverträglich zu gestalten. Das ist nicht immer passiert.

Ihr seid Greenpeace über die Jahre hinweg treu geblieben. Gab es nie Unzufriedenheit mit der Arbeit in den Gruppen oder die Überlegung, auch mal etwas anderes zu machen?

Hannelore: Sicher, es gab den einen oder anderen Streit, auch innerhalb der Gruppe. Aber da ist etwas, was man schwer erklären kann. Diese Umweltarbeit kam nicht aus dem Kopf, sondern emotional aus dem Bauch heraus. Da war immer das Gefühl, Greenpeacer zu sein, und das läßt einen nie wieder los.

Bernd: Wenn manche Leute sich an Themen herangetraut haben, wo sie einfach automatisch Fehler machen mußten, diese dann aber nicht eingestanden und mit anderen kooperiert haben, dann ist bei mir schon ein Stück weit Unzufriedenheit aufgetaucht.

Thomas: Wegen meines Studiums habe ich ab 1985 die Greenpeace-Arbeit für drei Jahre ruhen lassen. Diese studienbedingte Pause hatte auch etwas mit Unzufriedenheit zu tun, die zum großen Teil bedingt war durch lokale Probleme, aber auch durch die Art und Weise des Wachstums und die mangelnde Transparenz in der Entscheidungsfindung bei Greenpeace. Ein Wir-Gefühl gab es damals nicht. Manche Leute trennen heute immer noch zwischen Hamburg und den Gruppen, aber ich sehe diese Trennung jetzt nicht mehr.

Welche Bedeutung hat Eurer Ansicht nach die Arbeit in den lokalen Gruppen für Greenpeace insgesamt?

Hannelore: Ich glaube, daß die Gruppen mit zum hohen Bekanntheitsgrad von Greenpeace in Deutschland beigetragen haben. Das waren halt die Greenpeacer zum Anfassen, auch wenn sie selten selbst im Schlauchboot gesessen haben. Wir haben in der Verkaufsmeile oder auf dem Markt gestanden und uns mit den Menschen persönlich unterhalten.

Bernd: Die Meinungsvielfalt in der Bevölkerung ist ja riesig. Nicht jede Aktion kommt gut an. Die Reaktionen kriegt man in der Gruppe direkt ab. Diese Erfahrungen nach Hamburg weiterzuleiten, halte ich für sehr wichtig.

Was würdet Ihr Menschen mit auf den Weg geben, die heute neu bei Greenpeace einsteigen?

Hannelore: Vor allen Dingen sollten sie sich überlegen, ob sie wirklich ernsthaft mitarbeiten wollen. Es ist immer wieder vorgekommen, daß die Leute zu Greenpeace kamen, weil sie ins Schlauchboot wollten. Dann mußte ich ihnen erklären, daß nur ein ganz geringer Teil der Greenpeacer auf den Schiffen arbeitet, und daß die andere Arbeit Vorrang hat, diese vielleicht manchmal langweilige Arbeit am Schreibtisch, die Lobbyarbeit, die Recherchen. Und dafür muß man ein bißchen Zeit und Ausdauer mitbringen.

Bernd: Jeder sollte seine Fähigkeiten in den Dienst der Sache stellen und seine eigene Persönlichkeit nicht so wichtig nehmen. Ich empfehle mehr Aufklärungsarbeit vor Ort, denn viele kennen es heute gar nicht mehr, mit einem Stand in der Fußgängerzone zu stehen und sich auch einmal die Gegenargumente anzuhören.

Thomas: Ich würde raten, möglichst alle Angebote wahrzunehmen, ob das jetzt ein Aktionstraining, die Teilnahme an einer Aktion oder an einem Projektseminar ist. Auch das Hamburger Büro sollte man sich anschauen. Das trägt viel zum Verständnis bei innerhalb des Teams von Gruppen und Hauptamtlichen. Wer hier nur den Abenteuerkick sucht, der ist falsch. Aber die Methoden und Ansätze von Greenpeace, das konfrontative, offensive Auftreten sollten unbedingt weitergetragen werden. Wie sonst sollte sich denn etwas bewegen?

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