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Exxon Valdez in Alaska
© Greenpeace / Henk Merjenburgh

Poker auf den Weltmeeren

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Hunderttausende Vögel und Fische sowie Tausende Säugetiere verenden in den Ölmassen. Bis heute, 13 Jahre nach der Katastrophe, ist die Küste schwer verschmutzt. Viele Fischende haben ihre Existenzgrundlage verloren. Doch der verantwortliche Ölmulti Exxon, mit Abstand der größte Ölkonzern der Welt, verweigert bis zum heutigen Tag die Zahlung von Strafgeldern, zu denen er 1994 verurteilt wurde. Immer wieder legen die Anwälte und Anwältinnen des Konzerns Berufung ein und es ist zu befürchten, dass der finanzielle Atem von Exxon länger hält als derjenige der betroffenen Anwohner: innen Alaskas.

Der Unfall der Exxon Valdez war bei weitem nicht die größte Tankerkatastrophe der Geschichte. Jedes Jahr transportieren Öltanker etwa 1,8 Milliarden Tonnen Rohöl über die Weltmeere, um den Energiehunger der Industrieländer zu stillen. Seit 1967 ereigneten sich 23 schwere Unfälle. Platz 1 bis 3 in dieser Hitparade des Grauens besetzen die Tanker Atlantic Empress, der 1979 vor Westindien bei einer Kollision über 280.000 Tonnen Rohöl ins Meer goss, gefolgt von der ABT Summer, die 1991 vor Angola 260.000 Tonnen Öl verlor, und von der Castillo de Beliver, welche die südafrikanische Saldanha Bay 1983 mit 257.000 Tonnen Heizöl verpestete.

Die Ölmenge alleine sagt allerdings wenig aus über die Schwere der ökologischen Folgen. Genauso entscheidend ist, wo das Öl seine verheerende Wirkung entfaltet, wie das Beispiel der Exxon Valdez zeigt. Schon kleine Mengen können die Umwelt zerstören. Der Holzfrachter Pallas, 1998 vor der deutschen Nordseeküste bei schwerem Sturm in Brand geraten, verlor zwar nur rund 100 Tonnen Schweröl, trotzdem verendeten über 16.000 Seevögel in der klebrigen Masse, denn das Öl hatte das Wattenmeer, ein ökologisch hochsensibles Gebiet, verseucht.

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Jedes Schiffsunglück entzündet erneut intensive Diskussionen darüber, wie sich solche folgenschweren Unfälle verhindern ließen. Das war bei der Exxon Valdez 1989 so, führte nach dem Pallas-Desaster 1998 zu intensiven Diskussionen über Sicherheitskonzepte für die deutsche Nordseeküste und setzte sich nach dem Untergang des schrottreifen Tankers Erika fort, der im Dezember 1999 die französische Atlantikküste verseuchte.

Die USA haben 1990 mit der Einführung des Oil Pollution Act (OPA) die Konsequenzen aus der Exxon Valdez Katastrophe gezogen und sind weltweit führend bei der Bekämpfung von Tankerunfällen geworden. So müssen Tanker, die nach dem ersten Juli 1990 gebaut wurden, eine sogenannte Doppelhülle aufweisen, wenn sie einen US-amerikanischen Hafen anlaufen wollen. Ab dem Jahr 2015 sollen alle Einhüllen-Tanker weltweit aus dem Verkehr gezogen sein. Darüber hinaus haben die USA die Weisungsbefugnis der Behörden ausgeweitet, die Haftung nach Schiffsunfällen verschärft und das Strafmaß deutlich erhöht. Eine weitere Maßnahme ist der Einsatz von verbesserten Spezialschleppern, die bei Manövrierunfähigkeit eines Tankers rasch eingreifen können.

Auch international regen sich ein paar Dinge. So hat die International Maritime Organization IMO (eine Unterorganisation der UNO) im Frühjahr 2001 beschlossen, dass in Zukunft weltweit nur noch Doppelhüllentanker gebaut werden dürfen. Bis im Jahr 2015 sollen Einhüllentanker von den Meeren verschwunden sein. Im weiteren will die IMO die Entwicklung eines automatischen Identifizierungssystems (sog. Transponder) vorantreiben. Dabei sollen über Radar alle wichtigen Schiffsdaten zwischen den Schiffen selbst und den Verkehrsleitsystemen ausgetauscht und ausgewertet werden, um die Verkehrssicherheit auf den Weltmeeren zu erhöhen.

Und was tut sich in Europa? Hier hat der EU-Ministerrat zumindest beschlossen, Einhüllentanker ab 2002 schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen und die EU-Gewässer ab 2015 für diese Tanker zu sperren.

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Die beschriebenen Schritte sind zwar wichtig, aber bei weitem nicht ausreichend. Wie der Alltag zeigt, klaffen Theorie und Praxis in der internationalen Schifffahrt weit auseinander. Ein Beispiel: Anstatt alte Tanker konsequent von den Weltmeeren zu verbannen, gewährt die IMO bei der Ausmusterung großzügige Übergangsregelungen mit der Folge, dass Tanker bis zum Alter von 30 Jahren im Dienst bleiben dürfen. Auch wird die Oil Pollution Act (OPA) laut der American Shipbuilding Association von den Schiffseignern systematisch umgangen. So werden beispielsweise pensionsreife Tanker zweckentfremdet und befahren danach als Chemietanker die Weltmeere. Altersmäßig sind auf den Weltmeeren mindestens 2000 Tanker unterwegs, die über 25 Jahre alt sind, also längst in die Pension gehören, wobei das Durchschnittsalter der weltweiten Tankerflotten trotz der erwähnten Massnahmen in den letzten Jahren gestiegen ist.

Traurig aber wahr: Selbst am ehemaligen Katastrophen-Schauplatz Prince William Sound kreuzen heute immer noch einhüllige Tanker herum, während die Anwälte und Anwältinnen von Exxon vor Gericht sogar die Erlaubnis durchsetzen wollen, dass die Exxon Valdez wieder in den Prince William Sound zurückkehren darf. Dies war ihr 1990 durch die Oil Pollution Act verboten worden. Auch für die damals angeordneten technischen Verbesserungen am Schiff hat die Exxon bis heute keinen Finger gerührt.

{image_r}Was also ist zu tun? Wer an der Gesundheit der Weltmeere interessiert ist, gibt sich nicht mit lokalen Einzelmaßnahmen zufrieden. Technische Verbesserungen wie Doppelhüllentanker sind zwar unerlässlich, aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn trotz erhöhter Widerstandskraft bleibt ein Risiko, wie die Kollision des Doppelhüllen-Tankers Baltic Carrier mit dem Frachter Tern im Frühjahr 2000 tragisch bewies. Damals liefen rund 2500 Tonnen Schweröl der «Baltic Carrier» in die Ostsee und verschmutzten große Abschnitte der dänischen Insel Falster sowie benachbarter Inseln.

Ein wirksames Schutzprogramm beruht auf einer weltumspannenden Lösung. International bindende Standards sind absolut notwendig genauso wie strengste Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Bekämpfung, Haftung und Entschädigung.

Noch ist es so, dass sich alles um die ausreichende Versorgung mit Öl dreht. Mit der Wahl von George W. Bush ist ein Freund der Ölbranche an die Weltspitze gekommen. Goldene Zeiten also für die Ölkonzerne. Allen voran nutzt diese günstige Situation der amerikanischste aller Konzerne - ExxonMobil. Der Präsident setzt sich für ihre Interessen ein und verhindert, dass die bestehenden Gesetze zum Nachteil der Ölindustrie verschärft werden. So fahren zum Beispiel alle Rohöltanker der Seariver Maritime Inc., eine hundertprozentige Tochter von ExxonMobil, als Einhüllen-Tanker in der Weltgeschichte herum. Ausgerechnet der verantwortliche Konzern des Exxon-Valdez-Desasters verfolgt stur seine kommerziellen Eigeninteressen, während andere Reeder und Ölkonzerne schrittweise ihre Tanker mit Doppelhüllen oder zumindest Doppelböden ausrüsten.

Auch das Problem der so genannten Billigflaggen muss dringend angepackt werden. Schiffe, die unter Billigflagge fahren, sind zwar registrierte Schiffe, doch die Reeder: innen können machen, was sie wollen. Weder der Sicherheitsstandard der Schiffe noch die sozialen Bedingungen für die Seeleute an Bord sind geregelt. Es regiert der nackte Profit. Billigflaggen sind eine erhebliche Gefahr für die Umwelt, wie der Untergang des Billigflaggen-Tankers Erika zeigte, der im Auftrag des französischen Ölgiganten TotalFinaElf unter Maltesischer Flagge fuhr.

Gegen den Widerstand und die Winkelzüge von Ölkonzernen, Reeder: innen und Regierungen arbeiten die internationalen Umweltschutzverbände an der Verwirklichung der folgenden Hauptziele:

  1. Die bestehenden internationalen Beschlüsse müssen ergänzt und sie müssen rasch und bindend durchgesetzt werden.
  2. Die Frist für die Außerbetriebnahme von Öltankern ohne Doppelhülle muss drastisch gekürzt werden.
  3. Sensible Meeresgebiete dürfen von Öltankern nicht mehr befahren werden oder in Ausnahmefällen nur durch hochmoderne doppelwandige Tanker in Begleitung von Schleppern.
  4. Die Haftung bei Tankerunfällen muss verschärft und zudem weltweit und verbindlich geregelt werden.
  5. Die sogenannten Transponder oder automatischen Identifizierungssysteme müssen rasch eingeführt werden.

Bei all dem dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass diese Maßnahmen zwar wichtig, aber letzten Endes doch in erster Linie kosmetischer Natur sind. Denn die Weltmeere werden auch durch den täglichen Betrieb von Ölplattformen, das Ableiten von Abwässern, den normalen Schiffsverkehr und nicht zuletzt durch natürliche Ölquellen, zum Beispiel Lecks bei geologischen Unterwasserformationen, verschmutzt. In Tonnen Öl gemessen ist ihr Anteil an der Weltmeerverpestung sogar wesentlich größer als derjenige der Tankerunfälle.

Die Lösung muss also tiefer greifen. Konsument: innen, Regierungen und Vertreter: innen der Öllobby müssen sich darüber klar werden, dass die Verwendung von Öl im heutigen Stil ökologischer Unsinn ist. Doppelhüllen und Transponder in Ehren, die einzige Lösung, die eine solche Bezeichnung verdient, besteht darin, den Verbrauch von Energie zu drosseln und gleichzeitig künftige Investitionen auf die erneuerbaren Energien der Erde umzulenken. Besonders sinnvoll ist hier der verstärkte Ausbau der Windenergie, vor allem vor den Küsten, im sogenannten Offshore-Bereich, die intensivierte Förderung der Solarenergie, zum Beispiel durch Photovoltaik und Solarthermie, aber auch die Verwendung von Biomasse, Wasserkraft und Erdwärme. Wenn wir diese Möglichkeiten der Energiegewinnung konsequent und intelligent nutzen, gehören Öltanker-Unglücke eines Tages vielleicht der Vergangenheit an.

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