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Johannisbeeren
Christoph Piecha/Greenpeace

Greenpeace-Stellungnahme: BfR hält Einschätzung von Greenpeace für fehlerhaft

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Davon wurden fünf Proben von Greenpeace als zu hoch belastet und damit als nicht empfehlenswert bewertet. In diesen Proben wurden bis zu neun verschiedene Pestizide nachgewiesen. Greenpeace spricht in diesem Zusammenhang von Pestizid-Cocktails und bewertet die Summe der Eigenschaften der einzelnen Bestandteile als kritisch und möglicherweise gesundheitsgefährdend.

Dem widersprechen jedoch sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

In einer Presseinformation vom 2. August 2010 wird der BfR-Präsident Andreas Hensel mit den Worten zitiert: Die Bewertung der gemessenen Pestizidrückstände durch Greenpeace entspricht nicht den Kriterien einer wissenschaftlichen Risikobewertung. (...) So legt die Umweltschutzorganisation ihrer Bewertung unrealistische Verzehrsmengen zugrunde. Sie geht davon aus, dass ein Kind sein Leben lang täglich 500 Gramm Johannisbeeren verzehrt.

Greenpeace bewertet seine Pestizid-Tests seit Jahren nach dem immer gleichen, transparenten Bewertungsschema. Die Vorgehensweise ist detailliert beschrieben und nachzulesen unter Greenpeace-Bewertungssystem für Pestizidrückstände

Das Bewertungssystem hatte Greenpeace aus folgenden Gründen ausgearbeitet: In den gesetzlichen Regelungen zu Pestizid-Gehalten in Lebensmitteln finden Mehrfachbelastungen nach wie vor keine Berücksichtigung. Nach Auffassung von Greenpeace sollten zudem Bevölkerungsgruppen mit schwächerem Immunsystem (z.B. Kleinkinder, Kranke und Ältere) in der gesundheitlichen Bewertung stärker berücksichtigt werden. Die Bewertung von Pestizidrückständen in Lebensmitteln durch Greenpeace erfolgt generell auf einer umfassenden toxikologischen Basis, die dem Vorsorgeprinzip verpflichtet ist.

Greenpeace stützt sich bei der Bewertung von Pestizid-Rückständen auch auf die aktuelle wissenschaftliche Debatte. Zahlreiche Studien liefern bereits entscheidende Hinweise für die Kombinationswirkung von Chemikalien, auch solcher mit verschiedener Wirkungsweise. Gesundheitsschädigende Wirkungen von Stoffgemischen können nicht ausgeschlossen werden, auch wenn Einzelstoffe in niedriger Konzentration vorliegen (Siehe dazu auch Kortenkamp et al.). Das BfR vertritt hingegen die Ansicht, dass Mischungen von verschiedenartig wirkenden Stoffen sicher seien.

Die Ergebnisse des aktuellen Johannisbeertests zeigen, dass die Abwertung der fünf hoch belasteten Johannisbeer-Proben nicht nur aufgrund der nach Ansicht des BfR unzulässigen ADI-Additon (Acceptable Daily Intake) erfolgt. Bei einer Probe erfolgte sie aufgrund der mehr als 100prozentigen Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstgehalte, bei einer zweiten Probe wird dieser Summenwert mit 96 Prozent fast erreicht. Drei weitere Proben wurden abgewertet, weil der von Greenpeace für die Addition der ADI zugrunde gelegte Summenwert mit 120 bis 150 Prozent deutlich überschritten wird.

Die Überschreitungen werden in allen fünf Johannisbeer-Proben durch eine Kombination von Substanzen erreicht, die nach Greenpeace-Meinung wegen ihrer karzinogenen, mutagenen, reproduktionstoxischen oder hormonellen Wirkungen keine Anwendung im Anbau von frischem Obst und Gemüse finden sollten. Und man sollte bedenken, dass es glücklicherweise viele Kinder gibt, die gerne viel frisches Obst und Gemüse verzehren.

Die von Greenpeace angewendete Bewertung anhand von Summenwerten hat gesetzlich weder in Deutschland noch EU-weit Gültigkeit. Greenpeace sieht sich in seiner Vorgehensweise jedoch durch den Lebensmitteleinzelhandel und durch Lebensmittelüberwachungsämter bestätigt. Der Handel bewertet Obst und Gemüse nicht nur auf Grundlage der einzelnen gesetzlichen Höchstgehalte. Auch das Hamburger Hygiene-Institut unterstützt die Methode der Bewertung anhand von Summenwerten, beispielsweise im Greenpeace-Salattest 2010.

Im Obst- und Gemüseanbau werden an Stelle von einzelnen Pestiziden in hoher Konzentration immer häufiger verschiedene Pestizide in geringen Konzentrationen eingesetzt. Dieser Entwicklung trägt die Gesetzeslage bisher keine Rechnung. Auch das Umweltbundesamt (UBA) hat den Trend zu Pestizid-Mischungen erkannt: Was wir sehen, ist ein Trend hin zu mehr Kombinationspräparaten. Das heißt, dass ein Pflanzenschutzmittel mehrere Wirkstoffe enthält und die einzelnen Wirkstoffe sind dann häufig in geringeren Mengen in dem Pflanzenschutzmittel enthalten, als zum Beispiel bei vergleichbaren Einzelstoffpräparaten.

Das UBA fordert, dass mögliche Kombinationswirkungen bei der Zulassung von Pestiziden mit berücksichtigt werden sollten. (Christina Pickl, UBA, in dradio.de.)

In jeder untersuchten Johannisbeere steckten im Schnitt sechs Pestizide. Auch wenn das gesetzlich erlaubt ist, kann dies im Sinne des vorsorgenden Verbraucherschutzes nicht erwünscht sein. Greenpeace hält es für legitim, die Kombinationswirkungen solcher Cocktails in die gesundheitliche Bewertung einfließen zu lassen und wird in Kürze eine Studie zu dem Thema veröffentlichen und sich an der nationalen wie internationalen Debatte beteiligen.

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