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Salat-Feld
Stephan Morgenstern / Greenpeace

Obst und Gemüse - Ärger durch illegalen Pestizideinsatz

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Die Hälfte aller Höchstmengenüberschreitungen in Deutschland geht auf das Konto nicht erlaubter Pestizide. Obwohl die meisten Obst- und Gemüsebauern in Deutschland Pestizide einsetzten, die für den Anbau auch zugelassen sind, fand das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in 5546 Obst- und Gemüseproben illegale Wirkstoffe.

"In circa fünf Prozent der von der amtlichen Kontrolle untersuchten Obst- und Gemüseproben aus Deutschland besteht der Verdacht einer unzulässigen Anwendung", so das BVL. In circa zwei Prozent der Fälle wurden allgemein nicht zugelassene Pestizidwirkstoffe gefunden und in circa drei Prozent war der Wirkstoff zwar in Deutschland zugelassen, aber nicht für die beprobten Pflanzen wie Grünkohl, Bohnen, Kräuter, Zucchini, Paprika, Stachelbeeren und Feldsalat.

Man könnte meinen, was für Getreide erlaubt ist, kann dem Salat nicht schaden. Doch so einfach ist es nicht. Gifte, die etwa in der Getreideernte nicht mehr nachweisbar sind, sorgen im Salat für hohe Rückstände und landen so in unserem Essen.

Die fünf Prozent haben es in sich: Sie sind für fast die Hälfte aller festgestellten Höchstmengenüberschreitungen verantwortlich und damit die Hauptursache für die von Greenpeace gebrandmarkten Verstöße gegen das Lebensmittelrecht.

"Für Kontrollbehörden, Lebensmittelhandel und -produzenten heißt das, dass sie die hohen Pestizidbelastungen nur dann in den Griff bekommen, wenn sie dem Einsatz illegaler Pestizide den Kampf ansagen", schließt Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen.

Dass das BVL die ihm vorliegenden Labortests auf das Vorhandensein nicht erlaubter Pestizide hin ausgewertet hat, ist nicht selbstverständlich. In den letzten Jahren hatte Greenpeace die Daten noch anfordern müssen und diese auch erst nach zähem Ringen mit den Beamten erhalten und veröffentlichen können. Die Daten nun stammen von den Bundesländern aus dem Jahr 2007. Wie die Lage aktuell aussieht, ist offen. Auf Anfrage teilte das BVL vor wenigen Tagen mit: In welcher Form auch die Überwachungsdaten des Jahres 2008 in dieser Hinsicht ausgewertet werden, wird derzeit noch geprüft.

Greenpeace findet illegale Pestizide deutlich häufiger

Die behördlichen Zahlen werfen zudem Fragen auf. Auch Greenpeace schickte 2007 Obst- und Gemüse ins Labor: Zwölf Prozent der Proben - also deutlich mehr - enthielten Pestizide, die in Deutschland keine Zulassung haben. Damit fiel 2007 erstmals Licht auf den Umgang vieler Bauern mit illegalen Pestiziden. Die Testergebnisse aus dem Jahr 2006 hingegen fielen ähnlich aus: Das BVL stieß bei neun Prozent der Proben auf illegale Pestizidwirkstoffe - kaum weniger als bei den Greenpeace-Testdaten.

Inzwischen wirft die Bundesbehörde zwar selbst einen Blick auf die teils kriminellen Machenschaften im deutschen Obst- und Gemüseanbau, sagt Santen. Verbraucher haben allerdings kaum eine Chance, davon zu erfahren. Die Ergebnisse der Pestiziduntersuchung wurden vom BVL sang- und klanglos im Internet veröffentlicht.

Dabei ist der Bericht brisant: Von den 248 Proben, bei denen unzulässige Anwendungen vermutet werden können, wurden 35 Proben aufgrund von Höchstmengenüberschreitungen beanstandet (14,1 %). Das waren 46 % aller Beanstandungen (76) bei Obst und Gemüse aus Deutschland im Jahr 2007, obwohl die Proben mit nicht zugelassenen Wirkstoffen lediglich 4,5 % (248 von 5546) der Proben darstellen. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte aller Beanstandungen wegen Höchstmengenüberschreitungen von nicht zugelassenen Wirkstoffen verursacht wurde.

Die Mehrheit der Beanstandungen wegen nicht zugelassener Pestizide geht den Zahlen der Bundesbehörde zufolge auf illegale Anwendungen und weniger auf unbeabsichtigte Belastungen zum Beispiel durch alte Rückstände im Boden zurück. So seien in Niedersachsen 60 Prozent der Funde auf illegalen Spritzmitteleinsatz zurückzuführen.

Bundestagsbeschluss: Maximal ein Prozent Höchstmengenüberschreitungen

Der Deutsche Bundestag hat als erstes europäisches Parlament ein vorläufiges verbindliches Ziel für Höchstmengenüberschreitungen festgesetzt: Die Überschreitungsquote soll laut Beschluss vom 16.10.2008 unter einem Prozent sowohl für heimische als auch für importierte Ware liegen. Dieses Ziel ist allerdings nur zu erreichen, wenn das Problem mit dem illegalen Pestizideinsatz gelöst wird, erklärt Santen.

Eine Gelegenheit, die richtigen Maßnahmen einzuleiten, gibt es schon im Dezember. Dann trifft sich erneut das vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz berufene Begleitforum zum Nationalen Pestizid-Aktionsplan. Dessen Aufgabe ist es, Vorschläge zur Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 16.10.08 und der neuen EU-Pflanzenschutzrichtlinie zu sammeln. Die Richtlinie verpflichtet alle EU-Mitgliedsländer dazu, nationale Aktionspläne zur Reduktion der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden aufzustellen. In den Aktionsplan gehören auch wirksame Instrumente zur Bekämpfung des Spritzens illegaler Pestizide.

Greenpeace wird der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur wirksamen Senkung der Pestizidbelastungen vorlegen.

Greenpeace fordert:

  • Intensivere Kontrollen des Fach- und Internethandels mit Pestiziden zum Beispiel durch den Zoll
  • Ermittlungsmaßnahmen der staatlichen Kontrollbehörden in Problemregionen direkt auf den Feldern
  • Wirksame Sanktionen gegen Händler und Anwender von unzulässigen Pflanzenschutzmitteln bei Verstößen bis hin zu Strafmaßnahmen und dem Entzug der Geschäftserlaubnis
  • Auswertung der Rückstandsdaten auf illegale Pestizide durch den Lebensmittelhandel und Aufklärung sowie Beseitigung der Ursachen bei Funden
  • Einstellung des Handels innerhalb der EU mit in der EU nicht zugelassenen Pestizidwirkstoffen
  • Unterbindung von Re-Importen nicht zugelassener Pestizide

 

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