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Der Punkt ist heikel: Konzerne sollen zum Schutz ihrer Investitionen Staaten auf Schadensersatz verklagen können. Aufgrund der kritischen öffentlichen Debatte geriet die Generalkommission Handel, die die TTIP-Verhandlungen für Europa führt, so sehr unter Druck, dass sie Ende Januar eine öffentliche Konsultation zu dem strittigen Thema verkünden musste. Online-Konsultationen sind ein in der EU gängiges Verfahren, um die Meinung von Unternehmen, Organisationen wie auch von Bürgerinnen und Bürgern zu geplanten Maßnahmen der EU in Erfahrung zu bringen. Teilnehmen kann jeder, egal welcher Nationalität sie bzw. er ist.
Das sogenannte ISDS (Investor-state dispute settlement, auf Deutsch Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) gibt es bereits in vielen Abkommen über Investitionen zwischen zwei Ländern, aber bisher nicht zwischen der Mehrzahl der EU-Mitglieder und den USA. Durch TTIP würde ISDS für Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks zugänglich gemacht werden.
Der Investor kann dabei Entschädigungen für Verluste fordern, die ihm aufgrund von Maßnahmen des Staates tatsächlich oder vermeintlich entstanden sind und für die der Steuerzahler aufkommen muss. Wohin das führen kann, zeigt die Klage Vattenfalls gegen den Atomausstieg der Bundesrepublik - die Schadensersatzforderung beträgt rund 4 Milliarden Euro. Das schwedische Unternehmen Vattenfall führt diese Klage auf Grundlage der Energiecharta - einem internationalen Abkommen, dem Schweden wie Deutschland angehören und das ein Kapitel zu Streitschlichtung aufweist.
ISDS-Verfahren finden außerhalb der nationalstaatlichen Gerichtsbarkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bestenfalls ist bekannt, wer gegen wen klagt. Diese zusätzliche Klagemöglichkeit gibt privaten Investoren die Möglichkeit, rechtmäßige Gesetze der EU oder der USA vor einem Ausschuss „privater“ Schiedsrichter anzufechten und durch Ankündigung kostspieliger Schiedsverfahren unzulässigen Druck auf die Gesetzgebungsprozesse auszuüben.
Es bestehen außerdem ganz erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der ISDS-Mechanismen mit dem EU-Recht.
Öffentliche Beteiligung nur eine Farce
Die öffentliche Konsultation dauerte bis zum 13. Juli 2014. Auch Greenpeace beteiligte sich und beantwortete ausführlich die 15 vorgegebenen Fragen. Jürgen Knirsch von Greenpeace kritisiert das Verfahren: "Allein die Art und Weise, in der diese Konsultation durchgeführt wird, zeigt, dass die Kommission nicht gewillt ist, dem Widerstand der Öffentlichkeit wirklich Raum zu geben. Die Ausgestaltung der Fragen ist übermäßig fachjuristisch und schließt potentielle Teilnehmer, die zum Thema ISDS noch keine Vorkenntnisse haben, praktisch aus." Außerdem war die Möglichkeit, ISDS gänzlich abzulehnen nicht vorgesehen.
Parallel zur Konsultation hat die Kommission einen Vorschlag für die Ausgestaltung des ISDS-Verfahrens erarbeitet. "Eine vernünftige Reform sieht anders aus", so Knirsch. "Vielmehr wird an der Vielzahl der Klauseln, die in bestehenden Investitionsabkommen typischerweise enthalten sind, herumgebastelt. Die Kommission will dem ISDS-System falschen Glanz anheften, kritische Punkte des Verfahrens aber nicht beseitigen."
Zahlreiche Experten, Akademiker, Organisationen und selbst EU-Mitgliedstaaten und das deutsche Wirtschaftsministerium betrachten die Eingliederung von ISDS in das TTIP-Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU als unnötig. "ISDS stellt ein signifikantes Risiko für die Haushalte der Staaten sowie für die Demokratie dar", sagt Knirsch. "Es wird geschätzt, dass angesichts des Umfangs der Investitionen zwischen den USA und der EU bis zu zwanzig ISDS-Klagen pro Jahr gegen die EU-Staaten im Rahmen des TTIP-Abkommens zu erwarten sind."
Bis zum Ende dieser Konsultation sollte über ISDS im TTIP-Abkommen nicht verhandelt werden. Diese Frist endete nun am 13. Juli 2014. Die Kommission hat bisher lediglich darüber informiert, dass „eine große Anzahl“ von Bürgern und Organisationen an der Konsultation teilgenommen haben. Weitere Informationen sollen bald und ein ausführlicher Report zum Jahresende veröffentlicht werden.
„Greenpeace lehnt das unausgewogene TTIP-Abkommen generell ab", so Knirsch. Das private Streitschlichtungsverfahren ist aber neben der Absenkung von Umwelt- und Verbraucherschutzstandards einer der Hauptkritikpunkte.“