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Schmelzendes Meereis bei Grönland, Juli 2013
Nick Cobbing / Greenpeace

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur COP 19

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Online-Redaktion: Klimakonferenzen scheinen meist das zu produzieren, was sie eigentlich verhindern sollen: heiße Luft. Warum ist Greenpeace trotzdem in Warschau?

Martin Kaiser: Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner sind meistens frustrierend. Ja, die UN-Verhandlungen haben bislang zu wenig erreicht, und das auch noch zu spät – aber ohne sie hätten viele Länder vermutlich noch weniger gegen den Klimawandel getan. Dabei ist Öffentlichkeit, die unabhängige Umweltschutzgruppen wie Greenpeace erzeugen, ein wichtiges Druckmittel. Schon alleine, damit keine Regierung ihr fehlendes Klima-Engagement hinter kargen UN-Ergebnissen versteckt.

Online-Redaktion: Was sind die wichtigsten Punkte in Warschau?

Martin Kaiser: Im Jahr 2015 muss in Paris der globale Klimaschutzvertrag unterschrieben werden. Auf dem Weg dorthin ist Warschau einer der letzten Zwischenschritte. Die bisherigen Beschlüsse sind zu wenig, deshalb muss dieser Schutzvertrag jetzt in Warschau verbindlich vorbereitet werden. Dabei sind zwei Punkte zentral: ehrgeizigere Reduktionsziele für Treibhausgase in der Zeit bis 2020 zu vereinbaren und einen bindenden Vertrag mit weitreichenderen Reduktionen für die Zeit nach 2020 vorzubereiten. Beides muss dazu beitragen, die globale Erwärmung und deren katastrophale Folgen weit unter zwei Grad zu begrenzen. Ebenfalls weit oben auf der Tagesordnung stehen Finanzierungsfragen. Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern finanzielle Hilfen bei der Senkung ihrer Emissionen zugesagt. Bislang ist aber unklar, woher die versprochenen jährlichen 100 Milliarden US-Dollar ab dem Jahr 2020 kommen sollen. Das Prinzip, dass die fossilen Industrien als Hauptverursacher der Verschmutzung der Atmosphäre bezahlen müssen, wurde in den vergangenen Jahren immer mehr aufgeweicht - auch unter Mithilfe der schwarz-gelben Bundesregierung.

Online-Redaktion: Aber war zuletzt nicht zu lesen, der Klimawandel hätte sich verlangsamt?

Martin Kaiser: Das ist leider nicht der Fall. Im Gegenteil: Der jüngste IPCC-Bericht hat klargemacht, dass wir nicht nur mitten drin sind im Klimawandel, sondern dass auch die Geschwindigkeit anzieht. Das arktische Eis schmilzt deutlich schneller als angenommen. Die Meeresspiegel sind seit 1993 durchschnittlich doppelt so schnell gestiegen wie im vergangenen Jahrhundert. Auf der ganzen Welt beschleunigen sich die Symptome des Klimawandels und treffen dabei besonders die schwächeren Länder. Der verheerende Taifun auf den Philippinen hat gerade auf tragische Weise unterstrichen: Wir haben keine Zeit mehr, nur zu reden. Die Regierungen müssen jetzt handeln – und zwar mutig!

Online-Redaktion: Hat sich seit dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 überhaupt etwas getan?

Martin Kaiser: Es gibt ermunternde Signale. Die Erneuerbaren Energien machen inzwischen weltweit Kohle und Öl Konkurrenz. Besonders Wind- und Solarenergie sind zunehmend wettbewerbsfähig. Immer mehr Länder entwickeln eine nationale Klimapolitik mit festgeschriebenen Zielen für Emissionssenkungen und den Ausbau von Erneuerbaren. China, bislang einer der größten Klimasünder, geht inzwischen das Problem der Luftverschmutzung in Metropolregionen an. Zum ersten Mal hat das Land in einigen wichtigen Provinzen eine Obergrenze für die Kohleverbrennung eingeführt. Auch US-Präsident Obama hat einen Aktionsplan zum Klimaschutz angekündigt. All das ist gut, aber bei Weitem nicht genug. Deshalb muss der öffentliche Druck auf die Regierungen steigen - aus der Bevölkerung, von Investoren, Umweltschutzgruppen und fortschrittlichen Unternehmen.

Online-Redaktion: Was erwartet Greenpeace von der Klimakonferenz in Warschau?

Martin Kaiser: Wir erwarten, dass die Regierungen auf die Forschungsergebnisse der von ihnen eingesetzten Wissenschaftler reagieren. Der Weltklimarat (IPCC) hat in seinem jüngsten Bericht unmissverständlich klar gemacht: In wenigen Jahren muss der Höhepunkt der CO2-Emissionen erreicht sein und der Ausstoß danach bis Mitte des Jahrhunderts auf Null sinken. Seit Jahren wird darüber geredet, wie man die Emissionen senkt – jetzt muss endlich gehandelt werden!

Leider ist die Wahrscheinlichkeit für dringend benötigte mutige Vereinbarungen gering. Viele Regierungen der größten Klimasünder sind eng mit den großen Energiekonzernen verbandelt. Sie kommen nicht nach Warschau, um im Auftrag ihrer Bevölkerung zu verhandeln sondern im Interesse der fossilen Energielobbyisten. Das ist hier in Deutschland ja auch während der Koalitionsverhandlungen mit den beiden Verhandlungsführern deutlich geworden. Greenpeace wird das nicht tolerieren.

Online-Redaktion: Wer sind die größten Klimabremser, wer die Treiber in Warschau?

Martin Kaiser: Die schlimmsten Bremser im Kampf gegen den Klimawandel sind die Öl- und Kohleindustrie. Diese haben die größten CO2-Produzenten fest im Griff. Dazu gehören Länder wie die USA, China, Indien und Russland, aber auch Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Polen, Japan und Brasilien.

Doch es gibt Zeichen für Veränderung: Die chinesische Regierung hat im September beschlossen, den Bau neuer Kohlekraftwerke in drei wichtigen Provinzen zu stoppen. Nach 2017 soll in diesen Provinzen der Kohleverbrauch sinken. Dadurch wird Chinas Kohlekonsum insgesamt deutlich verlangsamt. Die EU hat jetzt die Chance, die CO2-Einsparziele bis 2020 zu verschärfen und einen ehrgeizigeren Fahrplan bis 2030 festzuschreiben. Dafür muss Polen von seinem Kohlekurs abrücken und auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien müssen sich für eine saubere Zukunft mit Erneuerbaren entscheiden, statt sich an eine schmutzige und gefährliche Vergangenheit mit Kohle, Öl und Atom zu klammern.

Aber genau hier liegt das Problem mit den aktuellen Koaltionsverhandlungen von CDU und SPD: Mit einem CO2-Minderungsziel von 40 Prozent für Europa bis 2030 soll sichergestellt werden, dass dreckige, klima- und gesundheitsschädliche Kohlekraftwerke weiter laufen können. Nur ein Ziel von 55 Prozent stellt sicher, dass Investitionen nur noch in Erneuerbare Energien gehen. Auch beim Ziel von 75 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2030 droht die SPD unter dem Druck der Kohle-Lobby einzuknicken. Das ist völlig unverständlich, wenn angesichts der Bilder aus den Philippinen und Vietnam gerade dieser Tage klar wird, dass konsequenter Klimaschutz eine soziale Verantwortung ist.

Online-Redaktion: Welche Rolle wird die EU aus der Sicht von Greenpeace in Warschau spielen?

Martin Kaiser: Die 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union stellen zusammen den drittgrößten CO2-Produzenten. Traditionell war die EU eine vergleichsweise fortschrittliche Kraft innerhalb der Klimaverhandlungen. Doch seit einigen Jahren fehlt der EU die Glaubwürdigkeit. Es gelingt ihr weder, eigene ehrgeizige Umweltziele zu beschließen, noch hat sie bislang die versprochene Finanzierung der armen Länder beschlossen. Zudem müsste die EU dringend den nicht funktionierenden Handel mit CO2-Zertifikaten reparieren. Die Wirtschaftskrise und ein Überangebot an Zertifikaten haben den Preis auf unter fünf Euro pro Tonne CO2 gedrückt – ein Sechstel des ursprünglich angenommenen Preises. So funktioniert der Handel nicht als Anreiz für sauberere Technologien, vielmehr macht er Kohlekraftwerke konkurrenzlos günstig. Auch hier versucht die Regierung, die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen, indem sie das fast wirklungslose 'backloading' [die Rücknahme von CO2-Zertifikaten] als großen Erfolg für den Klimaschutz inszeniert. Gleichzeitig schließt sie im Koalitionsvertrag weitere notwendige und vor allem wirkungsvolle Maßnahmen aus.

Online-Redaktion: Schon die Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 wurde unsere "letzte Chance" genannt. Wie viel Zeit haben wir tatsächlich noch?

Martin Kaiser: Je länger wir warten, desto fataler die Konsequenzen und größer die unbekannten Risiken. Unsere Untätigkeit hat schon heute zu Auswirkungen geführt, die wir nicht mehr verhindern können. Noch können wir die Erderwärmung unter der wichtigen Grenze von zwei Grad halten, aber dazu muss der Höhepunkt der CO2-Emissionen bis 2020 erreicht sein und in den folgenden Jahrzehnten auf Null sinken. Das ist technisch möglich, aber politisch eine große Herausforderung. Kopenhagen hat uns gelehrt, dass die Klimaziele der Länder nicht erst Wochen oder Tage vor dem Start der Konferenz auf den Tisch kommen dürfen. Deshalb fordert Greenpeace die Regierungen auf, ihre individuellen Ziele schon 2014 vorzulegen. Nur so können wir 2015 in Paris den dringend notwendigen internationalen Klimaschutzvertrag beschließen.

Wir berichten täglich in unserer Blogreihe von der COP 19.

 

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