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Autobahn mit schnell fahrenden Autos
(c) Mitja Kobal / Greenpeace

Warum ein Tempolimit sinnvoll ist

Ein Tempolimit ist eine schnelle und kostenfreie Methode, den Verbrauch von Autos zu senken - und es gibt weitere Vorteile.

Die deutschen Verkehrsminister:innen der vergangenen Jahre kamen aus verschiedenen Parteien. Doch egal ob Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Rot oder die Ampel regierte, in einem Punkt waren sich alle einig: Ein Tempolimit war für sie tabu. Günther Krause (CDU, 1991-1993) schasste gar seinen zuständigen Abteilungsleiter, nachdem der sich für Tempo 130 ausgesprochen hatte.

Die Politik scheut das Tempolimit wie der Teufel das Weihwasser, sagt Bernhard Schlag, Verkehrspsychologe an der TU Dresden. Steckt die Angst dahinter, von den autoversessenen Deutschen an der Wahlurne abgestraft zu werden? Schlag verneint. Es ist ein Mythos, dass die Bevölkerung ein Tempolimit ablehnt. Umfragen zeigen eine hohe Akzeptanz.

Deutschland ist sehr allein damit auf weiter Flur, dass hier nach Lust und Laune gerast werden darf. Selbst das oft bemühte Beispiel Afghanistan hat ein Tempolimit. Dies wird bei Unternehmen sogar als förderlich angesehen, nämlich für das Image von Autos Made in Germany. Automobilclubs verteidigen den Status Quo so vehement, als ginge es um ein bürgerliches Grundrecht. Für die mächtige Autolobby sei das Thema ein No-Go, so Schlag. Und Regierungen jeder Couleur halten fest zu ihr. Wider besseres Wissen übrigens: "Die von uns gegen ein Tempolimit vorgetragenen Argumente", hatte schon 1991 der von Günther Krause entlassene Ministerialdirektor notiert, "halten einer ernsthaften Überprüfung nicht stand."Lang ist hingegen die Liste der guten Gründe für ein Tempolimit. Hier finden sich einige:

 

Ein Tempolimit verbessert tendenziell die Verkehrssicherheit

Laut Martin Mönnighoff von der Polizeihochschule in Münster verbessert ein Tempolimit auf Autobahnen die Verkehrssicherheit. Die hohen Geschwindigkeitsdifferenzen auf deutschen Autobahnen führen regelmäßig zu Aggressionsdelikten wie dichtem Auffahren, Rasen und Drängeln. Das kann tödlich enden. Nach einer  Schätzung der Bundesanstalt für Straßenwesen könnte bei Tempo 130 die Zahl der Todesopfer bei Autobahnunfällen um 20 Prozent sinken, bei Tempo 100 sogar um 37 Prozent. Allerdings: Diese Schätzung stammt von 1984. Es gibt keine vernünftigen aktuellen Zahlen dazu, weil die Frage auf allzu vielen Annahmen beruht. Einen kleinen Überblick über Verkehrssicherheit und Tempolimit gibt es hier.

Ein Tempolimit ist Klimaschutz

Ein Tempolimit ist die einzige kostenfreie Methode, die Emissionen des Verkehrssektors schnell zu senken. Das UBA berechnete 2020, dass sogar ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen schon 1,9 Millionen Tonnen CO2 einsparen würde. Bei 120 km/h wären es demnach 2,6 Mio. Tonnen, bei 100 km/h sogar 5,4 Mio. Tonnen jährlich. Jeder Stundenkilometer mehr wirkt sich überproportional auf den Verbrauch aus, denn Luft- und Rollwiderstand steigen schneller als die Geschwindigkeit. Ein VW Golf etwa, der bei 100 Kilometern pro Stunde 6,5 Liter verbrennt, schluckt bei Tempo 220 mehr als 20 Liter. Im Porsche Cayenne Turbo (Normverbrauch: 11,5 Liter auf 100 Kilometer) gurgeln bei Vollgas und 270 Stundenkilometern irre 66,7 Liter pro 100 Kilometer aus dem Tank. Niedrigere Höchstgeschwindigkeiten in Städten und auf Landstraßen würden den Effekt weiter vergrößern.

Ein Tempolimit verringert Lärm und verbessert die Luft

Ein Tempolimit würde Luftschadstoffe und Lärm vermindern. Müssten Autos nicht mehr für die jetzigen Höchstgeschwindigkeiten konzipiert werden, könnten sie leiser, kleiner und leichter sein und allein deswegen weniger verbrauchen. Zudem würden Staus vermieden: Bei geringeren und gleichmäßigeren Geschwindigkeiten wird der Abstand zwischen den Fahrzeugen kleiner, bei etwa 85 Stundenkilometern wäre die Aufnahmekapazität der Autobahnen am höchsten.

Mit Tempolimit sind Autos kaum langsamer

Ein Test der Auto Bild ergab erstaunlich geringe Unterschiede in der Fahrlänge. Das Blatt schickte zwei Mercedes-Kombis parallel auf eine Fahrt von Flensburg nach Füssen im Allgäu: der eine ein Spar-Diesel mit 135 Pferdestärken, der andere ein Achtzylinder-Turbo mit 525 PS. Der eine schnurrte gleichmäßig mit 125, der andere heizte mit bis zu 250 Sachen übers Land. Am Ende hatte das Raserauto mehr als doppelt so viel Treibstoff verbraucht - und war nur 13 Minuten früher da.

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