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Pablo Blazquez / Greenpeace

Industrie lenkt Entscheidung über neue EU-Schadstoffgrenzwerte

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„Stoppt tödliche Kohle!“ Diese Botschaft trugen Greenpeace-Aktivisten in Sevilla heute auf Bannern. In der spanischen Stadt will die EU verbindliche Obergrenzen für den Schadstoffausstoß aus Industrieanlagen festlegen.

Denn europäische Kohlekraftwerke stoßen jedes Jahr riesige Mengen giftiger Substanzen wie Quecksilber, Feinstaub und Schwefeldioxid aus – und gefährden damit die Gesundheit von Millionen Menschen in Europa. Besonders giftig ist Quecksilber; es ist die drittschädlichste Substanz überhaupt.

Dass hier neun Tage lang Grenzwerte beschlossen werden sollen, die ab 2020 gelten, wirkt zunächst wie eine große Chance für die Reduzierung der Giftstoffe, – hat jedoch leider einen bitteren Beigeschmack.

Verschmutzer legen eigene Grenzwerte fest

Denn zum einen finden die Verhandlungen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der europäischen Parlamente statt – eine offene Debatte ist nicht gewollt.

Zum anderen darf die Industrie die Versammlung und damit ihre eigene Regulierung  weitgehend lenken: Von 359 Verhandlungsmitgliedern sind 192 Industrievertreter am Verfahren beteiligt. Ganze Länderdelegationen werden durch die Betreiber der Kohlekraftwerke  gestellt.

Die neunköpfige britische Delegation  etwa besteht aus fünf Vertretern großer Umweltverschmutzer, darunter die Betreiber von Kohlekraftwerken wie RWE, EDF und E.ON sowie der Stanlow-Ölraffinerie. Die Griechen stellen sogar ausschließlich Kohlelobbyisten. Die Verschmutzer legen also ihre eigenen Grenzwerte fest – ein ganz und gar absurdes Vorgehen. 

Vorschlag zu schwach

Kein Wunder also, dass die vorgeschlagenen Grenzwerte viel zu hoch sind. Die Arbeitsgruppe schlägt zum Beispiel vor, den Quecksilberausstoß bei Braunkohlekraftwerken auf bis zu 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Abluft zu begrenzen.

Ganze 85 Prozent der europäischen Kohlekraftwerke halten diesen Grenzwert ohnehin schon ein – darunter auch diejenigen mit den höchsten jährlichen Quecksilberemissionen. Solch hohe Obergrenzen befürworten insgesamt sieben europäische Delegationen, darunter auch die Bundesregierung.

Neueste Technik einsetzen

„Es kann nicht sein, dass die Umweltverschmutzer den EU-Ausschuss steuern und damit Ihre eigenen Schadstoffgrenzwerte mitbestimmen“, sagt Andree Böhling, Greenpeace-Experte für Energie. „Die Bundesregierung muss Mensch und Umwelt vor giftigen Schadstoffen schützen, nicht die  Betreiber der Kohlekraftwerke vor Nachrüstungen. Die Obergrenzen müssen sich bei derart giftigen Stoffen an den modernsten Kraftwerken auf dem Markt orientieren, nicht an den Dreckigsten!“. 

So bleiben die neuen Vorgaben weit hinter den aktuellen Stand der Technik zurück. Mit Anwendung der neuesten Anlagen könnte zum Beispiel der Quecksilberausstoß von Kohlekraftwerken um rund 80 Prozent reduziert werden – und das bei geringen Kosten.

Gefährliche Folgen

Die Konsequenzen einer weiterhin hohen Schadstoffbelastung hat Greenpeace erst kürzlich in einem Report aufgezeigt. Demnach drohen in der EU in den Jahren 2020 bis 2029 durch zu lasche Grenzwerte 71.000 vorzeitige Todesfälle (verglichen mit der Zahl bei höheren Standards). Zudem besteht ein höheres Risiko für Asthma, Herz- und Atemwegserkrankungen sowie Lungenkrebs. Dadurch steigen die Kosten für medizinische Versorgung in der EU um 52 Milliarden Euro.

Damit die Gesundheit der europäischen Bevölkerung gesichert wird, fordert Greenpeace die Bundesregierung und die EU-Länder auf, strengere Schadstoffgrenzwerte einzuführen. Sie sollten das Treffen in Sevilla als Chance sehen, die giftigen Emissionen einzudämmen und die Macht der Industrie im Entscheidungsprozess zu begrenzen.

  • "Hier wird Kohle gegen Gesundheit gehandelt!"

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