Jetzt spenden
Der Ort Pripjat nahe Tschornobyl wurde nach der Reaktorkatastrophe aufgegeben 10/21/2005
Steve Morgan / Greenpeace

Strahlendes Erbe für Generationen

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

25 Jahre vor Fukushima ereignete sich in Tschornobyl der Super-GAU: Millionen Hektar Land sind bis heute verstrahlt, mit Milliardenaufwand wird eine neue Hülle um den Unglücksreaktor gebaut. Und um die Zahl der Todesopfer tobt weiter ein Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Atomkraft.

Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Beton zerbröselt, Stahl wird mürbe. In der Geisterstadt Pripjat, die kurz nach dem Reaktorunglück von Tschornobyl evakuiert wurde, sind längst Hausdächer eingebrochen, Gras und Buschwerk haben allerorts den Asphalt gesprengt. Turnhallen, Geschäfte, Cafés sind hinter hohen Birken verschwunden.

Fünfundzwanzig Jahre sind eine kurze Zeit. Noch nicht einmal die Hälfte des radioaktiven Strontium-90 und Cäsium-137, die bei dem Super-GAU 1986 frei wurden, ist bis heute zerfallen - ihre Halbwertszeit beträgt jeweils rund 30 Jahre. Der gefährliche Alpha-Strahler Americium-241 hat sogar eine Halbwertszeit von 432 Jahren, beim ebenfalls freigesetzten Plutonium-239 sind es unvorstellbare 24.110 Jahre.

Vor fünfundzwanzig Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich im Atomkraftwerk Tschornobyl in der damaligen ukrainischen Teilrepublik der Sowjetunion der bislang schwerste Unfall in der Geschichte der Nuklearenergie. Block 4 war für routinemäßige Wartungsarbeiten heruntergefahren worden, dies wollte das Bedienpersonal für einen sicherheitstechnischen Versuch nutzen. Bei gedrosselter Leistung aber war der Meiler instabil geworden, die nukleare Kettenreaktion ließ sich nur noch schwer steuern, und als um 1 Uhr 23 das Experiment begann, schoss die Reaktorleistung plötzlich in die Höhe. Die Steuerstäbe, mit denen das Bedienpersonal die Kettenreaktion hektisch drosseln wollte, verkeilten sich, das Kühlmittel verdampfte in Sekundenbruchteilen, eine mächtige Wasserstoffexplosion zerriss den Reaktor. Dessen mehr als tausend Tonnen schwere Abdeckplatte flog in die Luft. Tagelang brannte der Grafitkern. Bis in mehrere Kilometer Höhe wurden radioaktive Stoffe geschleudert. Strahlende Wolken verseuchten nicht nur die Ukraine und das benachbarte Weißrussland, sondern zogen über Europa und bis nach Nordamerika und Asien. Auch heute noch ist etwa Wildschweinfleisch aus Bayern und Baden-Württemberg radioaktiv belastet. In Wales, 2000 Kilometer von Tschornobyl entfernt, werden nach wie vor hunderte Schaffarmen von den Strahlenschutzämtern überwacht.

Wie viele Tote und Verletzte das Reaktorunglück bislang forderte und künftig noch fordern wird, ist zwischen Atomkraftgegnern und -befürwortern heftig umstritten. Und für eine Stahlhalle, die den Austritt von Radioaktivität aus der Ruine endgültig stoppen soll, haben ein Vierteljahrhundert nach der Katastrophe gerade erst die Bauarbeiten begonnen. Das Erbe von Tschornobyl, sagte im Jahr 2001 der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, wird uns und unsere Nachkommen für Generationen beschäftigen.

Erschienen ursprünglich im Greenpeace Magazin 3/2011.

  • Eine Häuserruine in der verlassenen Stadt Pripjat 10/24/2005

    Geisterstadt Pripjat

    Überspringe die Bildergalerie
  • Der Sarkophag um Reaktorblock 4 des AKW Tschornobyl 15.11.94

    Der Sarkophag Tschornobyl 1994

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Jetzt mitmachen

Du willst Teil der Energiewende sein?

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Dann besuche in unserer Mitmach-Community Greenwire die Energiewende-Themengruppe und tausche dich mit Anderen aus, finde weitere Mitmachangebote und erfahre mehr über unsere Kampagnen.

Hier lang zur Themengruppe-Energiewende

Themengruppe auf

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Mehr zum Thema

Projektion für den Atomausstieg am Atomkraftwerk Isar 2 bei Nacht
  • 28.03.2024

Auch wenn vielerorts eine “Renaissance der Atomkraft” herbeigeredet wird, die Fakten sprechen dagegen: Atomenergie ist in Deutschland am Ende, im Rest Europas und weltweit auf dem absteigenden Ast.

mehr erfahren
Karte der Region Fukushima in Japan, die die Ausbreitung der Strahlung nach der Atomkatastrophe im März 2011 im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi zeigt.
  • 11.03.2024

Der 11. März 2011 versetzte Japan in einen Ausnahmezustand, der bis heute anhält. Die dreifache Katastrophe von Erdbeben, Tsunami-Flutwelle und Super-GAU traf das Land bis ins Mark.

mehr erfahren
Projektion zum Atomausstieg am AKW Isar 2
  • 05.03.2024

Atomkraft ist nicht nur riskant, sondern auch keine Lösung für die Energiekrise. Am 15. April 2023 wurden die deutschen Atomkraftwerke darum abgeschaltet, endgültig.

mehr erfahren
Balloons on the 'Plein' at The Hague
  • 12.12.2023

Ein technologischer Meilenstein, aber kein Modell für die Zukunft: Warum der gelungene Versuch der Kernfusion nicht die Probleme der Gegenwart löst.

mehr erfahren
Dunkle Wolken über Fukushima
  • 24.08.2023

Mit bewussten Fehleinschätzungen wird der Plan gerechtfertigt, mehr als eine Million Tonnen radioaktives Wasser aus Fukushima ins Meer abzulassen. Greenpeace entkräftet diese Halbwahrheiten.

mehr erfahren
The Nuclear Crisis at the Fukushima Daiichi Nuclear Plant Continues
  • 14.06.2023

Seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 hat Greenpeace zahlreiche Studien durchgeführt. Alle Publikationen sind hier aufgelistet.

mehr erfahren